Das Weltkulturerbe Psychonautik
Ein drogenpolitisches Manifest

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1. Manipulation versus Information

Bis Mitte der sechziger Jahre blieb Europa weitgehend von der in Amerika wütenden Drogenrepression verschont, obwohl auch die meisten europäischen Staaten in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts Betäubungsmittelgesetze in Kraft gesetzt hatten. Als jedoch »Flower-Power« zum Leitmotiv einer weltumspannenden Jugendkultur wurde und überall immer mehr Hippies sich in freier Natur zu Musikfestivals (open air and for free) trafen, dort Haschisch rauchten, sich Zauberpilze, Meskalin und LSD einverleibten und so Einblicke in andere Sphären gewannen, sahen konservative Politiker die traditionellen Werte der Gesellschaft gefährdet und riefen zum gnadenlosen Kampf gegen diese neue Jugendkultur auf.

Durch von Regierungen bereitwillig geförderte und gesteuerte breit angelegte Kampagnen in den Massenmedien wurde die Bevölkerung Ende der 60er Jahre und zu Beginn der 70er Jahre mit den aberwitzigsten Horrormeldungen bezüglich einer gigantischen Drogenwelle, die auf Europa überschwappte, bombardiert. Ein konkretes Wissen über Drogen ist durch diese Kampagnen jedoch kaum vermittelt worden. Die Meldungen waren häufig suggestiv konzipiert und einseitig tendenziös ausgelegt, um in demagogischer Weise die Bevölkerung zu manipulieren. Selbst völlig harmlose Haschischraucher wurden häufig als kriminelle Rauschgiftsüchtige diskreditiert.

 

1.1. Zur Gefährlichkeit von Haschisch und Gras

Als die Universität Bristol im März 2007 die Studie von David Nutt und seinem Forscherteam veröffentlichte, in der festgestellt wurde, dass Alkohol wesentlich gefährlicher sei als Cannabis, vermeldeten die meisten Medien diese Erkenntnis als neu. Das Forscherteam umfasste 40 Drogenexperten, darunter Chemiker, Pharmazeuten, Psychiater, andere Ärzte und Polizisten, und stufte zwanzig gängige Drogen nach ihrer Gefährlichkeit ein. Als im Frühjahr 1998 in einem Kommissionsbericht zur Bewertung des Gefahrenpotenzials von Drogen unter Leitung von Professor Bernard Roques (Abteilungsdirektor des Nationalen Instituts für Gesundheit und medizinische Forschung) an den Französischen Staatssekretär für Gesundheit das Gefahrenpotenzial von Alkohol höher eingeschätzt wurde als das von Cannabis, zeigten sich die meisten Medien von dieser Tatsache überrascht, obwohl diese Tatsache seit langem bekannt ist.

Bereits am 29. August 1991 stellte der Kassationshof des Schweizer Bundesgerichtes in einem Verfahren gegen die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde BGE 117 IV 314 S. 321) fest, dass es eindeutig widerlegt sei, dass Haschisch eine Einstiegsdroge sei und dass das Abhängigkeitspotenzial und die Fähigkeit, soziale und psychische Folgen zu verursachen, bei Haschisch deutlich schwächer sei als bei andern Drogen wie Morphin, Heroin, Amphetamin, Kokain und Alkohol. Dabei bezog sich das Gericht auf Studien von Prof. Hans Kind, Direktor der Psychiatrischen Poliklinik Zürich, der 1985 entsprechende Untersuchungsergebnisse veröffentlichte, sowie auf Studien der Professoren Kielholz, Ladewig und Uchtenhagen, die in ihrem Gutachten zuhanden des Obergerichts des Kantons Zürich vom 26. September 1978 (veröffentlicht in: Schweiz. Rundschau für Medizin 68/1979, S. 1687 ff.) entsprechende Feststellungen machten.

Es gibt jedoch noch weit ältere Untersuchungen, in denen festgestellt wurde, dass Haschisch signifikant weniger gefährlich ist als Alkohol, so der Indische Hanfdrogen-Report (Bericht der Indischen Hanfdrogen-Kommission) von 1893/94. Weder die Auftraggeber noch die den Auftrag erfüllenden Forscher waren Haschisch-Freunde. Gerade deswegen erscheint jedes Misstrauen in die Ergebnisse dieser Untersuchung unangebracht. Die Ergebnisse können nämlich für sich in Anspruch nehmen, so etwas wie der Konsensus der Wissenschaft zum Thema Haschisch zu sein. So heißt es im Abschnitt 490 des Indischen Hanfdrogen-Reports, dass Oberst Hutchinson, der oberste britische Kolonialbeamte von Lahore, erklärte: »Soweit ich die Sache beurteilen kann, sind die Auswirkungen des Alkohols viel schlimmer«. Der höchste Verwaltungsbeamte von Allahabad, J. B. Thomson, erklärte: »Ich kann nicht sagen, dass die Hanfdrogen in ähnlichem Ausmaß mit der Kriminalität zusammenhängen wie der Alkohol, wobei ich nicht nur an die Verhältnisse in Europa denke, denn auch unter den Eingeborenen hier bei uns führt der Alkohol weit eher zu Verbrechen als die Hanfdroge.« Und Oberst Bowie erklärte beispielsweise, dass er bei zahlreichen Prozessen Recht gesprochen habe, wo schwere Vergehen bis hin zum Mord auf Alkoholeinfluss zurückzuführen waren, dass ihm aber in seiner langen Praxis kein Fall vorgekommen sei, bei dem ähnliche schwere Delikte auf Bhang oder Ganja zurückzuführen gewesen wären. Für die Indische Hanfdrogen-Kommission waren diese Ergebnisse nicht im Sinne ihres Vorhabens, ein Hanfverbot zu begründen und durchzusetzen. So heißt es im Abschnitt 497: »Diese Sachlage ist natürlich für die Kommission recht unbefriedigend, aber doch insofern aufschlussreich, als daraus gefolgert werden darf, dass gewohnheitsmäßiger maßvoller Genuss von Hanfdrogen keine schädlichen Folgen, was psychische und moralische Schäden anbetrifft, zeitigt.«

Auch im Panama Canal Zone Report (Canal Zone Commitee (1925): The Panama Canal Zone Military Investigations) von 1925 wurde festgehalten, dass die Gefährdungen durch Cannabisgenuss offensichtlich stark übertrieben wurden und dass keine Beweise für nennenswerte schädliche Einflüsse auf Konsumenten vorliegen würden. Im Britischen Cannabis-Report (Bericht des Beratungsausschusses zur Frage der Drogenabhängigkeit) vom 1. November 1968 wurde im Abschnitt VI (Zusammenfassung und Vorschläge) in Punkt 67 festgestellt: »Das uns vorliegende Material beweist: Immer mehr Menschen, hauptsächlich der jungen Generation, aus allen Schichten der Gesellschaft experimentieren mit Cannabis, und sehr viele nehmen es regelmäßig zur geselligen Unterhaltung. Es gibt keinen Beweis, dass dieses Tun Gewaltverbrechen oder aggressives, antisoziales Verhalten hervorruft oder aber bei sonst normalen Menschen Abhängigkeitszustände oder Psychosen schafft, die der ärztlichen Behandlung bedürfen.« Und in Punkt 70 wurde festgehalten: »Wir halten aber auch für sicher, dass – in Bezug auf die körperliche Schädlichkeit – Cannabis sehr viel weniger gefährlich ist als Opiate, Amphetamine und Barbiturate oder auch Alkohol.« Und im British Wootten Report (1969) heißt es: »Wir sind der Ansicht, dass die in der Vergangenheit viel beschworenen von Cannabis ausgehenden Gefahren ... überbewertet wurden. ... Es gibt keine Belege dafür, dass ernstliche Gesundheitsgefährdungen westlicher Gesellschaften unmittelbar auf das Rauchen von Cannabis zurückzuführen sind.«

 

1.2. Manipulation statt Information seitens der Weltgesundheitsorganisation

Das britische Fachmagazin »New Scientist« hatte im Februar 1998 der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vorgeworfen, eine Studie unter Verschluss zu halten, wonach Haschisch weniger gefährlich sei als Alkohol und Tabak. Die WHO wies dies am 18. Februar 1998 zwar zurück, doch bestätigte die WHO-Expertin Maristela Montero, dass der betroffene Abschnitt in einem im Dezember 1997 publizierten WHO-Papier gestrichen wurde. Die Analyse sei »... mehr spekulativ als wissenschaftlich« gewesen, erklärte sie dazu. Bemerkenswert ist hierbei, wie im vorherigen Abschnitt gezeigt wurde, dass seit Ende des 19. Jahrhunderts bekannt ist, dass durch den Konsum von Alkohol mehr Schäden nachgewiesen werden können als durch den Konsum von psychotrop wirkenden Cannabisprodukten. Offenbar wird bei der WHO einfach das, was nicht ins politische Konzept passt, wegzensiert.

Im zensierten Kapitel stellten drei führende Suchtforscher (Wayne Hall, National Drug and Alcohol Research Centre, University of New South Wales; Robin Room and Susan Bondy, Addiction Research Foundation, Toronto) fest, dass es gute Gründe gibt, festzustellen, »dass Cannabis nicht dieselben Risiken für die öffentliche Gesundheit mit sich bringt wie Alkohol oder Tabak, selbst wenn genau so viele Menschen Cannabis benutzten wie jetzt Alkohol trinken oder Tabak rauchen.« Zwei WHO-Bürokraten verhinderten die Publikation des besagten Kapitels im Bericht der WHO. Dies waren der WHO-Leiter Hiroshi Nakajima (Ruhestand im Juni 1998) und der Leiter der Abteilung Betäubungsmittel, Dr. Tokuo Yoshida. Sie waren wütend über die Ergebnisse der drei Suchtforscher und wollten in jedem Fall verhindern, dass diese Forschungsergebnisse allgemein bekannt respektive anerkannt würden.

Auch die Publikation der größten Studie zu Kokain, die auf diesem Planeten erstellt wurde – und das schon in den frühen 90er Jahren – wurde auf Druck der Vereinigten Staaten von Amerika (USA) erfolgreich unterdrückt. Die von der WHO und von dem UN Interregionalen Kriminalitäts- und Justiz- Forschungsinstitut (UNICRI) bezahlte Studie, wurde auf Druck der Vereinigten Staaten von Amerika (USA) von der WHO unterdrückt. Dies passierte, als klar wurde, dass in dem Bericht Fakten genannt wurden, die direkt konträr waren zu den Mythen, Stereotypen und der Propaganda, die der »Krieg gegen die Drogen« gebracht hatte. 1995 drohte die Regierung der USA, die Finanzierung für die WHO einzustellen, wenn der Report veröffentlicht würde. Offensichtlich war auch in diesem Fall die WHO nicht in der Lage, die Weltbevölkerung sachlich und seriös zu informieren. Die WHO hat durch ihr Verhalten ihre Vertrauenswürdigkeit verwirkt, sie kann nicht als seriöse und glaubwürdige Institution für die Drogenpolitik eingestuft werden. Deshalb muss die UNO ihr die Kompetenzen für den Bereich »Drogen« entziehen und diese einer anderen Institution der UNO anvertrauen, beispielsweise der UNESCO. Vgl. hierzu den Abschnitt »Weltkulturerbe« auf Seite 13 im Kapitel »Das Weltkulturerbe der Psychonautik«.

 

1.3. Manipulation seitens der Deutschen Bundesregierung

Heute kann festgestellt werden, dass bereits vor mehr als 100 Jahren Untersuchungen gezeigt haben, dass der Genuss von Haschisch und/oder Gras weniger Schäden verursacht als der Konsum von Alkohol, eine Erkenntnis, die die deutsche Bundesregierung Anfang der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts nicht publiziert wissen wollte, wie im folgenden dargestellt wird.

Im Jahre 1969 kritisierte im Vorfeld der Umwandlung des Opiumgesetzes (Höchststrafe 3 Jahre) in das Betäubungsmittelgesetz (BtMG, Höchststrafe seinerzeit 10 Jahre, heute 15 Jahre) der nicht nur politisch der Studentenbewegung nahestehende »Spiegel« das Cannabisverbot, auch die als liberal geltende Wochenzeitung »Die Zeit« forderte Ende 1969 in einer Artikelserie die Legalisierung oder zumindest die Entkriminalisierung der zum Konsum notwendigen Vorbereitungshandlungen.

Am 4. Juni 1970 informierte Gesundheitsministerin Käte Strobel (SPD) den Bundestag über die Regierungspläne zur Schaffung eines neuen Betäubungsmittelgesetzes, am 13. Juli 1970 präsentierte sie dem Bundeskabinett einen Referentenentwurf, der zwischen den Ministerien abgestimmt und am 12. November vom Kabinett beschlossen wurde. Ziel des Entwurfs war bei den Regelungen betreff Cannabis eine zum Teil erhebliche Erweiterung der Strafrahmen, »um das Gesetz damit zu einem wirkungsvolleren Instrument bei der Bekämpfung der Rauschgiftsucht zu machen« (Deutscher Bundestag 1971:1). Zugleich verabschiedete das Kabinett unter Federführung des Ministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit ein »Aktionsprogramm zur Bekämpfung des Drogen- und Rauschmittelgebrauchs« mit ergänzenden Maßnahmen, die vor allem eine Verstärkung der Repression von Handel und Schmuggel zum Inhalt hatten. An zweiter Stelle stand eine zentral organisierte Kampagne zur »Aufklärung der Bevölkerung«. Neben der offenen Aufklärung umfasste die Kampagne auch verdeckte Öffentlichkeitsarbeit, bei der die Bundesregierung gezielt nicht als Absender der Information in Erscheinung trat, um den Eindruck einer allgemeinen Trendwende gegen den Cannabiskonsum zu erwecken. So stellte sie etwa Schülerzeitungen und anderen Printmedien kostenlos anonyme Artikel und Rundfunkanstalten Funkspots und Abschreckungsfilme zur Verfügung, die für das Publikum wie redaktionelle Beiträge aussehen sollten. Durch Täuschung sollte somit die Meinung der Bevölkerung manipuliert werden.

Aufgrund eines schriftlichen Appells von Gesundheitministerin Käte Strobel befasste sich der Deutsche Presserat Anfang Juni 1972 mit dem Thema Drogen und forderte die Redaktionen auf, »bei der Behandlung der Drogen- und Rauschmittelgefahren auf eine sensationelle Berichterstattung ebenso zu verzichten wie auf jede Bagatellisierung der Verwendung von Rauschmitteln«. Am 17. Juni 1972 wandte sich zudem der parlamentarische Staatssekretät Heinz Westphal (SPD) in einem Brief an Ernst Klett, den Vorsitzenden des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, mit der Bitte, eine vergleichbare Entschließung für den Buchhandel anzuregen, da Bücher wie der »Haschisch-Report« des Zeit-Redakteurs Rudolf Walter Leonhardt eine »mit Sicherheit ... große Anzahl Jugendlicher« zum Konsum von Cannabis verführt hätten. Die formal begründete Ablehnung Kletts bezeichnete das Ministerium als »enttäuschend«. Versuche von Zensur scheinen in der Drogenpolitik in der Bundesrepublik Deutschland eine lange Tradition zu haben.

 


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