Kaffe und Tabak aus kultur- und Sozialgeschichtlicher Sicht

Zurück Vor

3. Die Wege der Drogen nach Europa

Untersucht man die gesellschaftliche Integration des Kaffees und Tabaks in Europa, fällt vor allem das plötzliche Auftreten und die explosionsartige Verbreitung dieses Paares psychotroper Substanzen auf. Dies war sowohl beim Kaffee wie auch beim Tabak mit vehementen Auseinandersetzungen verbunden. Bevor die Thematik der kulturellen Drogenintegration und im Zusammenhang mit den zeitlichen Faktoren darlegt wird, erachte ich er es als wichtig, in Form eines Überblicks die Wege und Stationen der zwei Drogen aufzuzeigen.

 

3.1. Abriß der Entdeckungs- und Aufnahmegeschichte des Kaffees

3.1.1. Kaffee etabliert sich in Arabien und der Türkei

Die Geschichte des Kaffees ist im Gegensatz zu der des Tabaks und vieler anderer psychotrop wirksamer Pflanzen recht jung. Verläßliche Nachrichten über seinen Gebrauch finden sich im arabischen Raum, wo er zuerst populär wurde, jedoch kaum vor dem 15. Jahrhundert.

Die Geschichte des Kaffees in Arabien soll hier trotz der Konzentration auf den europäischen Raum aufgezeigt werden, da der enge Zusammenhang zwischen Drogenwirkung und Begrüßung derselben sich schon hier deutlich zeigt. Außerdem machte die Verbindung des Kaffees mit dem Orient einen Teil seines Reizes in Europa aus. Und schließlich entstanden hier schon die typischen Konsumorte, jedoch auch die ersten Gesetze gegen den Kaffee.

Ihre Urheimat hat die Pflanze mit größter Wahrscheinlichkeit in Äthiopien. Dort finden sich auch heute noch wildwachsende Kaffeesträucher. Im 17. Jahrhundert wuchsen sie so zahlreich, daß sich Reisende, die vom Kaffee wußten, sich wunderten, warum die Einheimischen sie nicht als Stimulans benutzten, sondern eher als Kuriosität ansahen. 24 *

Die vielen wissenschaftlichen Abhandlungen der arabischen Gelehrten- und Ärzteschaft erwähnten bis ins 15. Jahrhundert den Kaffee praktisch mit keinem Wort. Wie im Orient bemerkte auch im Okzident niemand die Pflanze und auch kein die Kreuzfahrer begleitender Kräuterkundiger lernte sie kennen. 25 *


 
Abb. 4: Erste authentische Erwähnung des Kaffees, arabisches Manuskript, 1587

Man weiß also nicht, wann genau die Kaffeepflanze auf die arabische Halbinsel kam, wahrscheinlich zwischen dem 13. und 15. Jahrhundert. Die überhaupt erste authentische Erwähnung des Kaffees findet sich in einem arabischen Manuskript aus dem Jahre 1587 von Abd al-Qadir al-Jaziri. Der Inhalt dessen wird so interpretiert, daß der Mufti von Aden, Scheich Jamal al-Din (Scheich Gemaleddin) 1454 in Persien den Kaffeegebrauch kennen lernte und nach dieser Erfahrung für die Anlage von Kaffeeplantagen im Jemen sorgte. 26 * Insbesondere Empfahl der Mufti den Sufis den Genuß von Kaffee, da dieser einen wach halte und man nach dem Kaffeegenuß die ganze Nacht beten könne und seine Rituale zelebrieren könne.

Wie bei fast allen bedeutsamen psychotrop wirksamen Pflanzen, kann man davon ausgehen, daß der Kaffee schon viel früher genutzt wurde, nur wissen wir darüber gar nichts.

Der Mufti, der den Kaffee selbst nutzte, bewirkte als Vorbild eine Verbreitung der Kaffeekultur im Jemen.

Arabische Kaufleute mögen um dieselbe Zeit den Nutzen der Droge und des Handels mit ihr erkannt und auch den Anbau forciert haben, denn bereits um 1500 wird Kaffee sackweise zu den arabischen Handelsplätzen transportiert. 27 * Zwischen 1470 und 1500 brachten die Araber den Kaffee noch bis Mekka und Medina, er konnte sich also schnell auch in den heiligsten islamischen Städten etablieren, wie auch im Osmanischen Reich.

Um 1510 war Kaffee in Kairo bekannt. Das erste Kaffeehaus in Damaskus wurde 1530 eröffnet, zwei Jahre später in Aleppo (1532). Bis zur Hauptstadt des Osmanischen Reiches Konstantinopel (Istanbul, auch Stambul genannt) war es nicht weit, wo man um diese Zeit bereits viel Kaffee trank. 28 * Dort gab es seit 1475 Kaffeehäuser, das erste hieß "Kiva Han". Für Othodoxe und konservative Imame wurde der Konsum von Kaffee 1511 in Mekka und 1532 in Kairo verboten. In Ägypten galt das Verbot auch eine Zeit lang für die gesamte Bevölkerung. Auch an anderen Orten gab es Versuche, den Konsum von Kaffee einzuschränken. Durch ein Dekret von Sultan Suleiman I wurde das Verbot des Konsums von Kaffee im gesamten Osmanischen Reich, also auch in Ägypten, aufgehoben und für orthodox erklärt. 29 * Spätestens um 1600 muß der Genuß von Kaffee im gesamten Reich und im gesamten arabischen Raum verbreitet und allgemein benutzt worden sein.

Kaffee integrierte sich sehr stark und schnell in dem moslemischen Einflußgebiet. Gut belegen das legendäre Erzählungen zur Herkunft des Kaffees, die recht schnell entstanden.

Einem Viehhirten soll das wundersame Verhalten seiner Tiere aufgefallen sein, nachdem sie eine ihm unbekannte Pflanze gefressen hatten. Er bereitete sich aus ihr ein Getränk und verspürte die belebende Wirkung. Der Kaffee war entdeckt! Dieselbe Geschichte gibt es auch in christlichem Gewand, wobei der Viehhirte die Kunde vom seltsamen Verhalten seiner Tiere den Mönchen eines Klosters mitteilt, welche die seltsame unbekannte Pflanze dann finden.

Eine weitere, im arabischen Sinne märchenhaft ausgekleidete Version findet sich in der wundersamen Errettung des Helden Omar in der Wüste. Unschuldig in eine lebensfeindliche Steinwüste verbannt, war er dem Verhungern nahe. Schließlich kam er auf die Idee, von dem unbekannten Strauchwerk zwischen den Felsen die roten Beeren zu pflücken und abzukochen. Nach dem Trinken des Suds kehrten seine Lebenskräfte wieder zurück, und er pries Allah. Daraufhin heilte er eine Gruppe Aussätziger in der Wüste mit diesem Getränk. Diese Kunde erreichte natürlich den Kalifen, der ihn rehabilitierte und zum Dank für die Erfindung des Kaffees einen Palast schenkte.

Eine weitere Geschichte bezieht sich auf den Propheten Mohammed selbst. Als er krank darniederlag, soll ihm der Erzengel Gabriel mit einer Schale, die eine schwarze dampfende Flüssigkeit enthielt, erschienen sein. Er trank davon und war auf der Stelle genesen. Diese und andere Geschichten existieren in vielfältigen Versionen und zeigen eindrucksvoll, welche hohe Wertschätzung der Kaffee in Arabien schon kurz nach seinem Aufkommen hatte. 30 *

Trotz der überaus großen gesellschaftlichen Integration des Kaffees gab es auch Gegner und heftige Auseinandersetzungen bezüglich des Genusses von Kaffee. So ließ der Mufti von Istambul auf Geheiß der Imame den Kaffee und vor allem die Orte des Konsums (die Kaffeehäuser) verbieten. Kaffee war aber inzwischen so unentbehrlich in der Gesellschaft geworden, daß er dieses Verbot nicht aufrechterhalten konnte. Das Verbot richtete sich sowieso mehr gegen die öffentlichen Kaffeehäuser und die sich dort bildende Kultur, als gegen den Kaffee selbst. 31 * Ein Vorgang, der sich in Europa nicht nur beim Kaffee wiederholen sollte.


 
Abb. 5: Kaffeetrinkender Wesir, Ausschnitt aus dem Titelkupferstich von Traitez Nouvaux & Curieux du Café, du Thé & du Chocolat von Philippe Sylvestre Dufour, 1685

Obwohl die Arbeit im Kern den europäischen Raum behandelt, möchte ich hier noch kurz etwas zu den Gründen des Erfolgs im arabischen Raum sagen. Diese hängen eng mit den religiösen Vorschriften des Islam zusammen. Denn Alkohol ist dem gläubigen Moslem streng verboten, wie überhaupt der rauschhafte Zustand abgelehnt wurde. Kaffee, als eine den Menschen nüchtern lassende Droge, schien sich gut mit dem Koran vereinbaren zu lassen. 32 * Außerdem brachte der Kaffee den Mystikern unter den Moslems, vor allem den Sufi- und Derwischorden viele Vorteile, da er ihnen erlaubte, ihre langen Rituale durchzustehen. Es gab sogar Gesetze, die bestimmten, daß ein Ehemann seine Frau immer mit Kaffee zu versorgen habe. 33 *

Die Kaffeehäuser, die es in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts in jeder größeren Ansiedlung des Osmanischen Reiches gab, wurden auch für die europäischen Kaffeeschenken zum Vorbild. Die orientalischen Kaffeehäuser waren meist unscheinbar, mitunter nur für den Straßenausschank ausreichende Bretterhütten. Der Kaffee wurde öffentlich sichtbar auf dem Feuer zubereitet. In den reicheren Ausführungen konnte man sich bequem setzen, auch für Unterhaltung durch Musikanten und Tänzerinnen sorgte der Wirt. Mit Spielen vertrieb man sich die Zeit, ebenso durfte die Wasserpfeife nicht fehlen. 34 *

Das Kaffeehaus war somit ein wichtiger Treffpunkt und Ort der Kommunikation. Häufig trafen sich hier Dichter, Literaten und kluge Köpfe, die auch politische und gesellschaftliche Fragen diskutierten. 35 * Kein Wunder, daß dies der Obrigkeit ein Dorn im Auge war. In Europa sollte sich das nicht ändern.

 



3.1.2. Der Kaffee kommt nach Europa


 
Abb. 6: Erstes europäisches Buch mit der Erwähnung des Kaffees, Titelblatt, 1582

Bis in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts blieb der Kaffee in ganz Europa völlig unbekannt. Auch kein Reisender oder Handeltreibender erwähnte ihn.

Dies änderte sich als in den Jahren 1573-1576 der Augsburger Arzt Leonhard Rauwolf den Orient bereiste und in Aleppo das Kaffeegetränk kennen lernte. Er war der erste Europäer, der das Getränk und seinen Ausschank, sowie die Pflanze und deren Frucht beschreibt. Als Forschungsreisender suchte Rauwolf "überall die raresten Kräuter (...) mit viller Mühe und Gefahr" zusammen. Die Leser erhielten die neue Kunde in seinem 1582 gedruckten Reisebericht. 36 * Von nun an sollte es nicht mehr ruhig um den Kaffee werden. 37 *

Die Bohnen als solche kannte man schon vorher. Sie tauchen als Abbildung schon in der Drogenkunde des Arztes Garcia D`Orta (1501-1568) auf, die Carolus Clusius 1574 ins Lateinische übersetzte. Hier wurden auch die erfrischenden Eigenschaften des daraus bereiteten Getränks beschrieben. 38 * 1585 meldete der venezianische Gesandte Gianfrancesco Morosoni dem Rat zu Venedig von einem schwarzen Getränk zu Istanbul, das man dort "cavee" nannte.

Prosper Alpius berichtete 1592 von einem Gewächs namens "cavoa" aus Kairo, wo er sich von 1580- 1584 aufhielt. Sein Werk "De plantis Aegypti Liber" enthält die erste Abbildung der Kaffeepflanze. 39 *

Als erster Mensch nördlich der Alpen bekam der in Holland lebende Charles de Lecluse im Jahre 1596 Kaffeebohnen zu Gesicht. Schon zu dieser Zeit gelangten wenige Bohnen als Proben durch Privatpersonen nach Europa oder wurden von Venedig aus verschickt.

Das englische Wort coffee erschien 1609 das erste Mal in einer dortigen Zeitung, nachdem 10 Jahre zuvor Anthony Sherley als erster Engländer vom Kaffee sprach.

Über den Umfang des Kaffeetrinkens und -handels in den ersten zwei Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts liegen keine verläßlichen Angaben vor. Hafenstädte, wie London, Amsterdam, Marseille oder Hamburg hatten eine große Bedeutung als Innovationszentren des Kaffeegebrauchs, vereinzelt wird man ihn um die Zeit hier schon getrunken haben. Unbekannte Handelsreisende brachten Kaffee mitunter schon sackweise nach Europa. Auch an den Nordgrenzen des Osmanischen Reiches und in Wien wurde der Kaffee langsam bekannt, bevor die ersten offiziellen Kaffeehäuser aufkamen. Über den privaten Gebrauch in dieser Zeit wissen wir trotzdem so gut wie nichts.

In Venedig kam 1624 der erste Großtransport Kaffee an, dessen Handel sich nun langsam zunächst in Südeuropa ausweitete. 40 * Das erste öffentliche Kaffeehaus wurde 1645 in Venedig eröffnet, gut 100 Jahre später (1763) boten in der Stadt 218 Kaffeehäuser dieses Getränk den Kaffeeliebhabern an.

Francis Bacon (1561-1621), Philosoph, Gelehrter und Politiker pries als einer der ersten den Kaffee als gehirn- und herzstärkend sowie als verdauungsfördernd an. Diese Sicht auf den Kaffee als Arznei sollte auch in der Debatte um ihn lange eine große Rolle spielen. Betrachten wir später die Gründe für die große Begrüßung des Kaffees im Blick auf die Drogenwirkung. Im Rahmen der Zeitumstände war nicht unerheblich, daß dieser gelehrte Mann das Experiment und die Induktion als Methoden der wissenschaftlichen Erkenntnis anerkannte und propagierte.

Der erste bekannte regelmäßig kaffeetrinkende Europäer war der englische Arzt und Anatomieprofessor William Harvey, der seinen Bedarf über private Verbindungen deckte. Den Kaffeegenuß hatte er in Padua bei seinen arabische Mitstudenten kennengelernt. Berühmt machte ihn die Entdeckung des menschlichen Blutkreislaufs 1628, die Spötter auf seinen Kaffeekonsum zurückführten, wodurch er das Blut angeblich wallen fühlte und so auf die Idee kam. Er benutzte den Kaffee ausdrücklich nicht nur aus gesundheitlichen Gründen, sondern zum Genuß. 41 * Zur selben Zeit teilte Sir Thomas Herbert nach seiner Orientreise von 1627-1630 die Legende von der Erfindung des Kaffees mit.

Ein Kaufmann aus Merseburg bekam 1631 wohl als erster Deutscher eine Probe Kaffee aus Holland zugesandt. 1635-1639 bereiste Adam Olearius den Orient und berichtete als erster über angebliche Schäden durch den Kaffeegenuß, nämlich die Impotenz eines Sultans. Spätere Kaffeegegner bezogen sich immer wieder auf dieses Argument. 42 *

Im Jahr 1644 brachte der Franzose Pierre de la Roque einen Vorrat an Kaffee nebst den Gerätschaften zur Zubereitung mit nach Marseille und schenkte den Trank an Interessierte aus. Vor allem unter der Ärzteschaft erregte dies hohes Aufsehen. Er beschrieb auch die Aussaat, Aufzucht und Verarbeitung der Pflanze. Ein Jahr später kamen die ersten Bohnen nach Paris. Obwohl man dort davon schon gehört hatte, erkannte man sie zunächst nicht. 43 * In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts vollzog sich der eigentliche Durchbruch des Kaffees als Genußmittel. Er und vor allem sein Gebrauch wurden in kurzer Zeit überall in Europa allgemein bekannt. In dieser Zeit entstanden die ersten Kaffeehäuser als typische Konsumorte. Da Quellen über den privaten Konsum in dieser Zeit sehr rar sind, zeigen die Nachrichten über Kaffeehäuser gut den Grad der Verbreitung der Droge an.


 
Abb. 7: Gewand eines Kaffeeschenks, Stich von Larmessin (1684-1755)

 

Kaffee – Faszination des Orients
Die Faszination für den Kaffee, nicht nur als Droge selbst, sondern als ein mit dem Zauber des Orients behaftetes neuartiges und exotisches Getränk verbreitete sich, man kann fast sagen schlagartig, so daß man in dieser Zeit und auch später von einer regelrechten Coffeemanie redete. Einer der Hauptmultiplikatoren dessen waren die Besuche von osmanischen Gesandten 1665 am Hof zu Wien und 1669 am Hof zu Paris zum Zwecke der Unterzeichnung eines Friedensabkommens. Die Gesandtschaft des Botschafters von Sultan Mohammed IV., Suleiman Agha, die im Juli 1669 in Paris eintraf, umfaßte etwa 300 Personen und alles, was zum orientalischen Luxus gehörte. Der Kaffee war dabei selbstverständlich. Extra zwei Kaffeeköche begleiteten die Mission und unterhielten den ganzen Tag Feuerstellen, um das Getränk in zeremonieller Weise zu bereiten. Die staunenden Bewohner von Paris und Umgebung pilgerten scharenweise in die osmanischen Lager und wahrscheinlich probierten viele das neuartige Getränk, das eben auch mit der Faszination des Orients verbunden war. Der Botschafter Suleiman führte die Kaffeekultur nach allen Regeln der Kunst in Paris ein.

Schon vor der ersten Kaffeehauseröffnung in Wien 1683 trank man in Privatkreisen den Kaffee. 44 * Doch richtig populär wurde der Kaffee in Wien erst nachdem am 12. September 1683 die bedrohte Hauptstadt des Habsburger Reiches von der türkischen Belagerung befreit wurde. Diese Tat von Johann III. Sobieski (König von Polen), die er mit Hilfe von 27.000 polnischen, 19.000 österreichischen und 28.000 Soldaten aus verschiedenen weiteren deutschen Staaten durchführte, zerschlug durch den Sieg über die türkische Armee unter dem Befehl des Großwesirs Kara Mustafa die türkischen Pläne, das Habsburgische Land einzunehmen. Während der Belagerung Wiens durch das türkische Heer gehörte der ukrainische Kaufmann und Dolmetscher Georg Franz Kolschitzky von der Orientalischen Handelskompanie in Belgrad einer polnischen Einheit an. Die Legende besagt, daß die Wiener während der Befreiung von der Türkenbelagerung einige Säcke mit seltsamen Bohnen fanden, die sie zunächst für Kamelfutter hielten und verbrennen wollten. König Johann III. Sobieski soll diese dann seinem Offizier und Dolmetscher Kolschitzky übergeben haben. Dieser habe die Säcke dann an sich genommen und das erste Kaffeehaus gegründet. Nach einigen mehr oder weniger erfolglosen Versuchen soll er dem Kaffee Zucker und Milch hinzugefügt haben, und die Melange und das erste Wiener Kaffeehaus waren geboren. Tatsächlich stammte eines der ersten Wiener Kaffeehäuser etwa aus dieser Zeit und wurde 1685 von einem Griechen namens Johannes Theodat gegründet.

In England, der großen Kolonial- und Seemacht, wurde das erste Kaffeehaus 1650 in Oxford – allerdings ohne Erfolg – gegründet. 1652 folgte eines in London und nun war der Kaffeegenuß nicht mehr aufzuhalten. 45 * Bereits 1693 berichtet John Ray von dem "sehr verbreiteten Kaffeegenuß (...) als einer allgemein bekannten Sitte". 46 * Das Kaffeehaus ist auch der Ursprung der Postfächer im englischen Postwesen, die ersten Postfächer richtete man sich in seinem Stammcafé ein. Die erste Versicherung ging auf eine Geschäftsidee des Londoner Kaffeehauses Lloyd's zurück, in dem sich Kaufleute trafen und ihre Risiken zu minimieren suchten, indem sie ihre Schiffsladungen aus den Kolonien gegen Havarie versicherten. Ebenso bedeutend sind die Cafés hinsichtlich der Entwicklung der Zeitung. Der Tatler (von Daniel Reed bis 1711 herausgegeben), der Spectator (Joseph Addison und Reed, die Redaktion saß im Button's Coffeehouse), später erschienen weitere Gazetten täglich und vereinten Berichte über Politik, Wirtschaft, Kultur (insbesondere Kaffeekultur) und Gesellschaft ganz ähnlich, wie es heute noch der Fall ist. 47 *

In Frankreich muß die Verbreitung des Kaffeegenusses in Kaffeehäusern wohl ebenso schnell vonstatten gegangen sein wie in England, denn kurz nach der ersten Kaffeehausgründung in Marseille 1671 wurde in Paris ein solches 1672 eröffnet und bereits 1676 wurden die Pariser Cafetiers mit den Limonaden- und Likörverkäufern zu einer Zunft zusammengefaßt. 48 * Der Kaffee ersetzte die bis dahin üblichen alkoholischen Getränke, die damals bereits in den Vormittagsstunden getrunken wurden. Die Ablösung durch den Kaffee bedeutete auch, daß der ständige leichte Rausch, an den man sich seit Jahrhunderten gewöhnt hatte, durch ein Gefühl der wachen, konzentrierten Nüchternheit abgelöst wurde (der "nüchterne Rausch", wie Voltaire ihn nannte, der selbst ein bekennender Kaffeevieltrinker war). In Frankreich entstand – durch den Differenzierungsprozeß innerhalb der Bourgeoisie – aus den sogenannten Cafés concerts eine neue Unterhaltung für das Mittel- und Kleinbürgertum. Die Cafés concerts boten nicht nur Unterhaltung für die Mittel- und Unterschicht, sondern galten auch als subversiv, denn in ihnen konnten Kleinbürger und Proletarier ihrem Herzen Luft machen, anstatt nur ihr soziales Elend zu vergessen. Die Café concerts waren in der Regel langgestreckte, rechteckige Säle mit einer ziemlich hohen Bühne, also keine Cafés im üblichen Sinne und auch keine Konzertsäle, sondern eher Volksvarietés mit gastronomischer Betreuung. Die Darbietungen waren kostenlos, denn der Hauptumsatz wurde auch hier mit Essen und Getränken erzielt.

In Holland, welches aufgrund seiner Hafenstädte und des dort abgewickelten Handels schon immer früh mit Fremdem in Berührung kam, entstand das erste Kaffeehaus 1664 in Den Haag, Amsterdam folgte 1666. 49 * Von hier aus kam der erste geröstete Kaffee um 1670 nach Deutschland, wo sich wegen der fehlenden Kolonien und Welthandelsflotte der Gebrauch des Getränks erst recht spät etablierte, in ländlichen Gegenden wohl erst gegen 1710/1720 50 *. Erst 1686 entstanden Kaffeehäuser in Nürnberg und Regensburg, 1687 in Hamburg, 1694 in Leipzig, 1697 in Bremen im Haus Schütting (Gilde- und Kosthaus der Bremer Kaufleute), 1712 in Stuttgart und erst 1721 in Berlin. 51 *


 
Abb. 8: "Caffe Mensch" im Kaffeehaus, Titelbild der Schrift "Das Curieuse Caffe- Hauß zu Venedig", Freyburg, 1698

1766 machte Friedrich II (Friedrich der Große von Preußen) den Handel von Kaffee zum Staatsmonopol und ließ Staatskaffeebrennereien errichten, wo man den Kaftfe etwa sechsmal teurer bezahlen mußte als beim Kaufmann. 1780 wurde das Monopol, ganz im Sinne der französischen Vorbilder, auch auf das Rösten von Kaffee ausgedehnt. Kaffee durfte nur noch in den königlichen Röstereien gebrannt werden (Kaffeebrennzwang) und nur der Adel, Geistliche und höhere Beamte erhielten sogenannte Brennscheine und durften den Kaffee selbst brennen (rösten); das Landvolk sollte sich nicht an den Kaffee gewöhnen, damit nicht so viel Geld für den Import von Kaffee aus dem Lande gehe. Zur Kontrolle setzte Friedrich der Große im ganzen Land französische Soldaten als "Kaffeeschnüffler" ein, die aufgrund des verräterischen Kaffeeduftes jede Gesetzesübertretung riechen und ahnden sollten. Willkür dieser "Schnüffler", Schmuggel, Beschwerden und zunehmender Zorn bei den Bürgern waren die Folge. Im Jahre 1787 wurde das staatliche Kaffeemonopol in Preußen wieder abgeschafft, weil sich die Kontrollen als ineffektiv erwiesen hatten und der Schaden durch den organisierten Schmuggel immens angestiegen war. 52 *

Doch auch in Deutschland waren die Kaffeehäuser bald gut gefüllt und man traf sich hier nicht nur zum Kaffeetrinken. Allerdings entfaltete sich der Kaffeegenuß in Deutschland daneben viel stärker im privaten Raum. 53 *

Die ersten Kaffeehändler bedienten sich in England wie in Deutschland offensiver Werbemethoden, wie mündlicher Ausrufer oder gedruckter Aufklärungszettel und Gebrauchsanweisungen, um Kunden zu interessieren. Ebenfalls wurden Probekaffeeküchen installiert, meistens bevor dann dort ein festes Kaffeehaus folgte. Diese Werbung und die allgemeine Faszination für fremde Länder, die sich auch in den vielen Reiseberichten dieser Zeit niederschlug, taten ein Übriges zur Verbreitung des Kaffeegetränks. Auch bei Einzelpersonen konnte man ab 1650 Kaffee probieren. 54 *

Im 18. Jahrhundert setzte sich der Siegeszug der nun allgemeinen Droge weiter fort, allerdings auch die kontroverse Auseinandersetzung darum. Dabei kam es zu regelrechten Propagandakampagnen, die den Kaffee als ausländischen, neumodischen Luxus und tödliches Gift abqualifizierten bis hin zu erheblichen rechtlichen und repressiven Schritten gegen die Konsumenten und die Droge selbst. Ab ca. 1800 war der Kaffeegenuß dann für jeden uneingeschränkt möglich.

Ich möchte an dieser Stelle noch darauf hinweisen, daß neben dem Genuß und dem Verkauf des Kaffees als Getränk natürlich der Anbau und Handel mit dem Rohprodukt immens wichtig wurden. Die Kolonialmächte setzten alles daran, in den Besitz keimfähiger Bohnen und brauchbarer Pflanzen zu kommen, um sie in ihren Kolonien anzubauen. Damit wollten sie vor allem das Monopol des Osmanischen Reiches durchbrechen, das peinlich genau darauf achtete, dass keine keimfähigen Bohnen außerhalb des Landes gelangten. Grüne Bohnen brühte man kurz mit kochendem Wasser ab, um deren Keimfähigkeit auszuschalten.

Die Niederländer kamen schon 1616 in den Besitz einer lebenden Pflanze, nachdem eine niederländische Delegation in Aden zwei Jahre lang den Kaffeeanbau studiert hatte. 1650 brachten die Niederländer die ersten Keffeebäumchen nach Batavia (Jakarta, Djakarta) auf der Insel Java in Indonesien, ab 1680 wurden dort Kaffeepflanzungen im großen Stil angelegt, aus denen auch die Moslems mit Kaffee versorgt wurden. 1719 kam der erste javanische Kaffee nach Holland und in der niederländischen Kolonie Surinam (an der Nordküste von Südamerika, auch Niederländisch-Guayana genannt) wurden große Kaffeeplantagen angelegt. 55 *

Im botanischen Garten in Amsterdam gedeihte bereits 1710 eine Kaffeepflanze, die Blüten und rote Früchte trug. Von dieser Pflanze erhielt König Ludwig XIV. von Frankreich einen Ableger, so daß die erste Kaffeepflanze 1711 in Paris gedeihte. Ab 1715 entstanden in San Domingo (Haiti) auf der Insel Hispaniola die ersten französischen Kaffeeanpflanzungen, weitere folgten ab 1720 auf Martinique (Insel in der Karibik), Guadeloupe (Inselgruppe der kleinen Antillen in der Karibik), Bourbon (La Réunion, französische Insel im Indischen Ozean) und in Cayenne (Region in Französisch-Guyana). Die Portugiesen brachten 1727 die ersten Kaffeepflanzen nach Brasilien und gut hundert Jahre später lieferten die Kaffeeplantagen in Brasilien mehr als die Hälfte des gesammten in den Handel gelangten Kaffees. Der erste englische Kaffee wurde 1730 auf Jamaika angepflanzt. 56 *

In Holland und Frankreich war zu dieser Zeit die Ausfuhr von Samen und Setzlingen bei Todesstrafe verboten. In der folgenden Zeit erfuhr der Anbau eine immense Steigerung durch die enorme Nachfrage, die kontinuierlich bis in seine heutige Ausdehnung zunahm. 57 * Heute ist der Kaffee nach dem Erdöl das zweitwichtigste Handelsprodukt überhaupt. 58 *

 

3.2. Abriß der Entdeckungs- und Aufnahmegeschichte des Tabaks

Der Tabak ist ursprünglich eine Pflanze der Neuen Welt. Deshalb ist es einleuchtend, daß Tabak und sein Gebrauch niemand in Europa vor der Entdeckung Amerikas kannte. Selbst das Rauchen als Form der Drogeneinnahme war, obwohl in der Frühzeit praktiziert, völlig in Vergessenheit geraten. Die intensive religiös-rituelle, medizinische und hedonistische Nutzung des Tabaks im alten Amerika zeigt seine enorme psychoaktive Wirksamkeit und auch seine starke gesellschaftliche Integration. Auf den vielfältigen Einsatz dieser Droge bei den amerikanischen Völkern einzugehen, würde den Umfang dieser Arbeit allerdings sprengen. 59 *

Die ersten Europäer, die mit dem Tabakgebrauch in Berührung kamen, waren Christoph Columbus und seine Gefährten, die Matrosen Rodrique (Rodrigo) de Jerez und Luis de Torrez (Luis de la Torre), am 6. November 1492. Ihnen begegneten nach ihrer Landung auf der Insel Kuba mehrere einheimische Männer und Frauen, die in Blätter eingewickelte glühende Kohlen mit pflanzlichen Kräutern bei sich trugen, "tabacos" genannt. An diesen "tabacos" sogen die Leute und tranken gewissermaßen den Rauch, den sie nach einer Weile wieder aushauchten. Dadurch wurden sie berauscht, jedoch auch vor Müdigkeit geschützt. 60 * Schon die Tolteken und Azteken rauchten Tabak aus Pfeifen, hatten also schon hochkultivierte Konsumformen entwickelt.

Der früheste überlieferte Bericht über den Tabak stammt von dem Christoph Columbus begleitenden Mönch und Geograph Romano Pane aus dem Jahre 1496, der 1518 sogar Tabaksamen an den König von Spanien Karl I. (ab 1519 Kaiser Karl V. des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation) sandte. 61 * Er berichtete über den Gebrauch des Tabaks und über die Pfeife als Rauchgerät. Die erste botanische Beschreibung lieferte der spanische Botaniker Franzisco Hernandez im Jahre 1525. Die Kunde vom Tabak verbreitete sich geradezu rasend schnell, vor allem durch Seeleute. In Spanien und Portugal kannte man ihn 1492, in Neapel 1493, in Indien 1498 und 1505 in China.

Bereits im 16. Jahrhundert muß der Tabak in Europa allgemein bekannt gewesen sein, zunächst vor allem als Heilmittel und Medizinalpflanze. 62 * Man kann allerdings vermuten, daß schon damals einige schon zum Genuß rauchten. In Buschs Handbuch der Erfindungen von 1822 ist so auch zu lesen:

"Nach Deutschland soll der Taback schon unter Karl V. gekommen seyn. Konrad Gesner lernte den Taback 1565 kennen. Damals zogen schon verschiedene Botaniker diese Pflanze in ihren Gärten. (...) Die Nachricht, daß der Gebrauch des Rauchens und Schnupfens im Jahr 1600 aufgekommen sey, ist viel zu unbestimmt, denn in Europa und selbst in Deutschland war beydes früher gewöhnlich." 63 *

Bereits 1559 bauten Bauern, wenn auch in geringem Umfang, Tabak in der Gegend von Suhl am Südrand des Thüringer Waldes an und waren somit wohl die ersten Tabakserzeuger in Deutschland. 64 *

1558 brachte der Franziskanermönch André Thevet aus Angoulême (Charente, Westfrankreich) erstmals Tabaksamen nach Frankreich. Der Botschafter Frankreichs in Lissabon, Jean Nicot, nach dem die Pflanze und deren Wirkstoff benannt sind, propagierte 1560 den Tabak als Heilmittel. Daraufhin wurde der Tabak unter den Schutz der Königin Frankreichs, Katharina von Medici, gestellt, die durch den Gebrauch von Tabak (Schnupftabak) eine Linderung ihrer Kopfschmerzen erfahren hatte. Der Verkauf von Tabak erfolgte in Frankreich offiziell nur durch Apotheker. Versuche solcher Verkaufsbeschränkungen gab es bis ins 17. Jahrhundert immer wieder, auch Verbote, den Tabak anders als zu medizinischen Zwecken zu nutzen. In der "Cosmographie universelle" des André Thevet aus dem Jahre 1575 erschien auch eine der ersten Abbildungen der Tabakspflanze.

Auch in England wurde der Tabaksgebrauch schon im 16. Jahrhundert bekannt. 1585 schrieb ein Herr Camedius folgendes:

"Als die Engländer aus Virginia zurückkamen, so haben sie jene indische Pflanze, welche sie die Tabacks- oder Nicotanische Pflanze nannten und nach dem Unterrichte der Indianer gegen die Cruditäten brauchten, meines Wissens zuerst gebracht; von der Zeit an wurde ihr Gebrauch sehr allgemein und sie erhielt einen großen Werth, indem sehr viele ihren starkriechenden Rauch, einige aus Wolllust, andere aus Sorge für die Gesundheit, durch eine irdene Röhre mit unersättlicher Begierde einziehen und durch die Nasenlöcher wieder von sich blasen so daß es eben sowohl Tabackshäuser als Bier- und Weinschenken, hin und wieder in den Städten giebt." 65 *

In England erschien 1604 mit der Schrift "A Counterblaste to Tobacco" des Königs Jakob I. von England (Jakob IV. von Schottland) die erste englische Antidrogen(hetz)schrift. 66 * Jakob I. versuchte zudem mit dem Tabakgesetzt vom 17. Oktober 1604 eine faktische Tabaksprohibition über Propaganda und Einfuhrzölle (4000%!) einzuführen. 1608 wurden die Steuern wieder gesenkt und ein staatliches Tabakmonopol eingerichtet, nachdem Schmuggel und Korruption erheblich angestiegen waren, der Tabaksgebrauch sich aber trotz des Gesetzes nicht einschränken ließ.

Ab ca. 1600 breitete sich der Tabakgenuß im Osmanischen Reich und den anderen moslemischen Ländern aus, seinen Gebrauch belegte der Sultan Murad IV. im gesamten Osmanischen Reich mit drakonischen Strafen. Die Strenge des Sultans ist legendär geblieben. Der Genuß von Kaffe, Opium, Wein und Tabak wurde unter der Herrschaft von Murad IV. oft mit dem Tode bestraft, der Sultan selbst starb am 8. Februar 1640 mit 29 Jahren an seiner Trunksucht (Alkoholabhängigkeit). 67 *

In Russland wurde in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts der Tabakkonsum vom Klerus als Todsünde angesehen und ab 1633 wurde Tabak mit einem Rauch- und Handelsverbot durch Zar Michael Fjodorowitsch Romanow bei Androhung heftiger Strafen wie das Aufschlitzen der Lippen, die Verbannung oder gar die Todesstrafe.

Sowohl im Osmanischen Reich als auch in Russland fruchteten die Maßnahmen nicht und wurden bald wieder eingestellt.

Versuche der Einschränkung des Tabakkonsums durch Verbote und Einfuhrzölle, sowie die wirtschaftliche Nutzung mittels staatlicher Monopolisierung zogen sich durch die gesamte Geschichte des Tabaks – nicht nur in Europa im 17. und 18. Jahrhundert. 68 * Sie werden in dieser Arbeit aufgrund ihrer Aktualität und des Vergleichswertes mit der heutigen Drogenbekämpfung noch gesondert behandelt.

Der schon praktizierte Tabaksgenuß erfuhr im Dreißigjährigen Krieg durch umherziehende Soldaten eine erhebliche Steigerung und Verbreitung bis in den letzten Winkel Europas.

Von nun an war das Tabakrauchen und Schnupfen bis in jedes kleine Dorf bekannt und verbreitet. 69 * Im Jahre 1719 heißt es in einer Abhandlung, es seien "fast alle Theile der Welt mit einer allgemeinen Tobacksbegierde angefüllet". Die Droge hatte die bekannten und bewohnten Teile der Welt erobert.

Noch ein Wort zu den Konsumgewohnheiten. Auch sie hingen natürlich von den jeweiligen historischen und gesellschaftlichen Faktoren ab. Die Pfeife war von Anfang an in Europa bis zum Ende des 17. Jahrhunderts das Rauchmittel Nummer 1. Sie blieb es auch für die niederen Stände wie die Soldaten, Studenten, Bauern usw. Ganz arme Leute bedienten sich des Kautabaks.


 
Abb. 9: Rauchergruppe, um 1630

Ab dem 18. Jahrhundert kam das Schnupfen von Tabak in Mode, vor allem in höheren Gesellschaftsschichten um sich vom gewöhnlichen Volk abzusetzen. Man fertigte in dieser Zeit äußerst kunstvolle Schnupftabakdosen und um 1800 war das Schnupfen auf seinem Höhepunkt angelangt. Das 19. Jahrhundert stand im Zeichen der Zigarre, als Sinnbild für das erstarkende Handelsbürgertum, aber auch für eine größere Geschwindigkeit innerhalb der Gesellschaft, die schnellere Konsumarten verlangte. Zeichen dafür ist auch die Zigarette, die das 20. Jahrhundert beherrschte und der Schnelllebigkeit unserer Zeit Rechnung trägt. 70 *

Zum Schluß noch etwas zum Begriff des Rauchens an sich. Wie schon gesagt, war diese Konsumart in Europa ja überhaupt nicht bekannt. Das Wort Rauchen für Paffen und Inhalieren setzte sich erst im Laufe des 17. Jahrhunderts in Europa durch und dies zeigt offensichtlich, wie neuartig diese Art der Drogeneinnahme auf die Menschen wirkte. Man behalf sich zuerst mit Begriffen wie "Tabak trinken" oder "saufen", den Genuß bezeichnete man auch als "trockene Trunkenheit". Damit stellte man zum einen eine Analogie zur damals vorherrschenden Droge Alkohol her, 71 * zum anderen bezog sich die Ausdrucksweise vielleicht auf eine bei den Römern von Plinius bezeugte Technik, wobei Rauch zusammen mit einem Schluck Wein verschluckt wurde. Man nimmt an, daß diese Technik um 1600 noch zu medizinischen Zwecken bekannt war. 72 * Die letzte Beziehung verweist schlußendlich auf den Anfang dieses Kapitels: Die Indianer, die Kohlen und Kräuter auf den Händen trugen und daran saugten, erschienen den ersten Europäern wohl auch als trinkend.

 


Zurück Inhalt Vor
24
Heise, Ulla: Kaffee und Kaffeehaus, Leipzig 1987, S. 13
25
Heise, Ulla: Kaffee und Kaffeehaus, Leipzig 1987, S. 11 f.
26
Heise, Ulla: Kaffee und Kaffeehaus, Leipzig 1987, S. 13 f.
Galland, Antoine: De l'origine et du progrès du Café, Paris 1699 (Edition de la Bibliothèque, Paris 1992)
27
Heise, Ulla: Coffeana, Leipzig 1988, S. 142
28
Heise, Ulla: Kaffee und Kaffeehaus, Leipzig 1987, S. 13 f.
29
Hanauer, J.E.: About Coffee, S. 291
30
Heise, Ulla: Kaffee und Kaffeehaus, Leipzig 1987, S. 10 f.
31
Heise, Ulla: Coffeana, Leipzig 1988, S. 143
32
Heise, Ulla: Coffeana, Leipzig 1988, S. 142
33
Ferre, Felipe: Kaffee – eine Kulturgeschichte, Tübingen 1991, S. 33
34
Heise, Ulla: Kaffee und Kaffeehaus, Leipzig 1987, S. 92 f.
35
Heise, Ulla: Coffeana, Leipzig 1988, S. 143
Ferre, Felipe: Kaffee – eine Kulturgeschichte, Tübingen 1991, S. 33
36
Der Titel lautete: Rauwolf, Leonhard: Aigentliche beschreibung der Raiß..., Laugingen 1582
37
Heise, Ulla: Kaffee und Kaffeehaus, Leipzig 1987, S. 8
38
Müller, Irmgard: Einführung des Kaffees in Europa, in: G. Völker (Hrsg): Rausch und Realität, Köln 1981, Bd. I, S. 392
39
ebenda, S. 391
Heise, Ulla: Kaffee und Kaffeehaus, Leipzig 1987, S. 8
40
Heise, Ulla: Kaffee und Kaffeehaus, Leipzig 1987, S. 15
41
Müller, Irmgard: Einführung des Kaffees in Europa, in: G. Völker (Hrsg): Rausch und Realität, Köln 1981, Bd. I, S. 393
Deutsche Encyclopädie oder Allgemeines Real- Wörterbuch aller Künste und Wissenschaften, Frankfurt/M. 1794, S. 597
Heise, Ulla: Kaffee und Kaffeehaus, Leipzig 1987, S. 15 f.
42
Heise, Ulla: Kaffee und Kaffeehaus, Leipzig 1987, S. 9
Heise, Ulla: Coffeana, Leipzig 1988, S. 145
43
Heise, Ulla: Kaffee und Kaffeehaus, Leipzig 1987, S. 16
Müller, Irmgard: Einführung des Kaffees in Europa, in: G. Völker (Hrsg): Rausch und Realität, Köln 1981, Bd. I, S. 393 f.
44
Heise, Ulla: Kaffee und Kaffeehaus, Leipzig 1987, S. 16
45
Heise, Ulla: Kaffee und Kaffeehaus, Leipzig 1987, S. 93
46
Müller, Irmgard: Einführung des Kaffees in Europa, in: G. Völker (Hrsg): Rausch und Realität, Köln 1981, Bd. I, S. 394
47
Artikel Café, in: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 24. November 2006, 21:12 UTC. URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Caf%C3%A9&oldid=24247999 (Abgerufen: 9. Dezember 2006, 12:00 UTC)
48
Müller, Irmgard: Einführung des Kaffees in Europa, in: G. Völker (Hrsg): Rausch und Realität, Köln 1981, Bd. I, S. 394
49
Heise, Ulla: Kaffee und Kaffeehaus, Leipzig 1987, S. 93
50
Busch, Gabr. Christ. Benj.: Handbuch der Erfindungen, 5. Theil, Eisenach 1812, S. 141
Deutsche Encyclopädie oder Allgemeines Real- Wörterbuch aller Künste und Wissenschaften, Fankfurt/M. 1794, S. 605
51
Müller, Irmgard: Einführung des Kaffees in Europa, in: G. Völker (Hrsg): Rausch und Realität, Köln 1981, Bd. I, S. 395
52
Artikel Kaffeebaum, in: Meyers Konversations-Lexikon, 3. Auflage, 9. Band, Leipzig 1867, S. 669
53
Heise, Ulla: Kaffee und Kaffeehaus, Leipzig 1987, S. 37
54
Heise, Ulla: Kaffee und Kaffeehaus, Leipzig 1987, S.16 f., S. 98
55
Artikel Kaffeebaum, in: Meyers Konversations-Lexikon, 3. Auflage, 9. Band, Leipzig 1867, S. 669
56
Artikel History of coffee (2006, December 10). In Wikipedia, The Free Encyclopedia. Retrieved 12:36, December 11, 2006, from http://en.wikipedia.org/w/index.php?title=History_of_coffee&oldid=93437652
57
Heise, Ulla: Kaffee und Kaffeehaus, Leipzig 1987, S. 17ff.
Müller, Irmgard: Einführung des Kaffees in Europa, in: G. Völker (Hrsg): Rausch und Realität, Köln 1981, Bd. I, S. 394
58
Kühnel (Hrsg): Genuß und Kunst, Ausstellungskatalog Schloß Schallaburg 1994, S. 1
59
Walther, Elisabeth: Kulturhistorisch-ethnologischer Abriß über den Gebrauch von Tabak, in: G. Völker Hrsg): Rausch und Realität, Köln 1981, Bd.I, S. 211
Rätsch, Christian: Encyklopädie der psychoaktiven Pflanzen, Aarau 1998, S. 380 ff.
60
Internet: http://www.tabakhistorie.de (Im Netz nicht mehr verfügbar)
61
Rätsch, Christian: Encyklopädie der psychoaktiven Pflanzen, Aarau 1998, S. 381
62
Thamm, Bernd Georg: Drogenfreigabe – Kapitulation oder Ausweg?, Hilden 1989, S. 30
63
Busch, Gabr. Christ. Benj.: Handbuch der Erfindungen, Zwölfter Theil, Eisenach 1822, S. 4
64
Internet: http://www.Die Geschichte der Nikotinverwendung in der westlichen Welt.htm (nicht mehr verfügbar)
65
Internet: http://www.Die Geschichte der Nikotinverwendung in der westlichen Welt.htm (nicht mehr verfügbar)
66
Jakob I.: A Counterblaste to Tobacco, London 1604
Full Text: http://www.la.utexas.edu/research/poltheory/james/blaste/
67
Artikel Murat IV., in: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 24. Nov. 2006, 07:28 UTC. URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Murat_IV.&oldid=24213851 (Abgerufen: 11.12.2006)
68
Thamm, Bernd Georg: Drogenfreigabe – Kapitulation oder Ausweg?, Hilden 1989, S. 32
Austin, Georg: Die europäische Drogenkrise des 16./17.Jahrhunderts, in: G. Völker (Hrsg): Rausch und Realität, Köln 1981, Bd. I, S. 67 ff.
Internet: http://www.tabakhistorie.de (Im Netz nicht mehr verfügbar)
69
Thamm, Bernd Georg: Drogenfreigabe – Kapitulation oder Ausweg?, Hilden 1989, S. 30
70
Internet: http://www.tabakhistorie.de (Im Netz nicht mehr verfügbar)
71
Schivelbusch, Wolfgang: Die trockene Trunkenheit des Tabaks, in: G. Völker (Hrsg): Rausch und Realität, Köln 1981, Bd. I, S. 216
72
Internet: http://www.tabakhistorie.de (Im Netz nicht mehr verfügbar)