Love Parade 2002
Weniger Besucher - erhöhtes Unfallrisiko
(Love Parade 1989-2002 und Street Parade 1992-2001 im Vergleich)

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1.3.13. Dreizehnte Love Parade am 21. Juli 2001 in Berlin mit 1.200.000 Teilnehmern

Zum ersten Mal war die Love Parade keine Demonstration. Das Bundesverfassungsgericht hatte ihr den Status in einer Eilentscheidung am 12. Juli 2001 aberkannt und entschieden, daß weder die Love Parade noch die Fuckparade in der gegebenen Art ihrer Aufmachung und Erscheinungsweise als politische Demonstrationen zu werten seien, da Massenparties, die der bloßen Zurschaustellung eines Lebensgefühls dienten, nicht durch die im Grundgesetz garantierte Versammlungsfreiheit geschützt seien. Die drei Richter, deren Durchschnittsalter knapp über 60 Jahre lag, hatten sich wohl vor dieser Entscheidung vornehmlich mit dem Phänomen Love Parade und weniger mit dem Wesen und der Struktur der Fuckparade befaßt. Rechtlich gesehen war eigentlich die Fuckparade interessanter, die den radikaleren, politisierten Teil der Rave-Bewegung repräsentiert und massive Kritik an der weichgespülten Techno-Kultur à la Love Parade formuliert. Die Veranstalter der Fuckparade wollen - anders als die Planetcom - gegen die Aberkennung des Demonstrationsstatus durch das Bundesverfassungsgerichts klagen. Hoffentlich gewinnen sie. 31 *

Die Millionen, die die Love Parade in den vergangenen zwölf Jahren besuchten, dürften sowieso die Situation völlig anders sehen. Für sie war die Love Parade nicht nur ein Gemeinschaftserlebnis, sondern auch eine kurzzeitige Aufhebung des Alltags und der sozialen Ordnung. Wer einmal erlebt hat, wie eine feiernde Menge für eine bestimmte Zeit einen Stadtteil übernimmt, weiß, daß das ein Vorgang mit emanzipatorischer und politischer Power ist. Die Polizei schätzte, daß dieses Jahr trotz der Terminverschiebung mindestens 800.000 Menschen in den Tiergarten gekommen und dem Aufruf "Join the Love Republic" (Mach mit bei der Liebesrepublik) gefolgt waren. Die Organisatoren, die zunächst nur mit 400.000 Teilnehmern gerechnet hatten, sprachen schließlich von 1,2 Millionen, die zum sommerlichen Liebestanz gekommen waren. 32 * Somit tanzten gemäß Schätzung der Veranstalter durchschnittlich knapp 27.000 Raver um jeden der 45 Musikwagen, nach Schätzung der Polizei knapp 18.000 Raver.

Die rechtliche Einstufung der Love Parade als Straßenfest (Volksfest, Vergnügungsveranstaltung) mit straßenrechtlicher Sonderrnutzungserlaubnis und nicht mehr wie in den Jahren zuvor als politische Demonstration im Sinne des Versammlungsgesetzes 33 * hatte vor allem finanzielle Konsequenzen. Die Entsorgung von 200 Tonnen Müll kostete 200.000 Mark (102.000 Euro), die Beseitigung von Schäden im Tiergarten 350.000 Mark (180.000 Euro). Im Gegensatz zu den Vorjahren mußte nun nicht mehr das Land Berlin für die Müllentsorgung und Beseitigung der Schäden die Kosten tragen, sondern die Veranstalter der Love Parade. 34 * Der Geschäftsführer der Berlin Tourismus Marketing GmbH (BTM), Hanns Peter Nerger, betonte, wie auch in den Vorjahren, daß die Love Parade für das Gastgewerbe und den Handel in Berlin jedes Jahr zusätzliche Einnahmen in Höhe von etwa 250 Millionen Mark (128 Millionen Euro) erbringe. Für den Staat seien damit 40 Millionen Mark (20,5 Millionen Euro) an zusätzlichen Steuereinnahmen verbunden.

Dank der Bürgerinitiative "Rettet den Tiergarten" konnten die Techno-Fans die 13. Love Parade bei schönstem Sonnenschein und milden Temperaturen Feiern. Ursprünglich war die Love Parade für den 14. Juli 2001 geplant, doch der frühere Innensenator Eckhart Werthebach (CDU) hatte die Parade für diesen Termin verboten, weil die Bürgerinitiative "Rettet den Tiergarten" ihre Demonstration für den 14. Juli 2001 früher angemeldet hatten als die Love Parade GmbH. So mußte die Love Parade um eine Woche verschoben werden und sie konnte auch nicht mit dem Status einer Demo stattfinden, sondern wurde als kommerzieller Umzug auf der Grundlage einer Sondernutzungsgenehmigung für die Straßenbenutzung durchgeführt. Die Demonstration der Umweltschützer fand am 14. Juli 2001 bei naßkaltem Wetter im Tiergarten statt. Am Abend des 14. Juli 2001 ergossen sich heftige Regenschauer über Berlin - die Love Parade am 14. Juli 2001 wäre eine mehr feucht als fröhliche Angelegenheit geworden. Der 21. Juli 2001 war hingegen von einem milden Sommerwetter gesegnet, so daß die Love Parade unter äußerst günstigen meteorologischen Bedingungen stattfinden konnte. Nicht nur wegen des schönen Wetters war die Stimmung sehr gut, sondern der Sound begeisterte viele mehr als die Jahre zuvor und die Abschlußparty am 'Großen Stern' versetzte Tausende in Ekstase. Unter den Feiernden zeigte sich auch Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD).

 

1.3.14. Vierzehnte Love Parade am 13. Juli 2002 in Berlin mit 750.000 Teilnehmern

Im Juni war bei der Berliner Polizei ein Hinweis eingegangen, wonach Terroristen einen Sprengstoffanschlag auf die Love Parade planten. In einem Auto seien bereits fünf Kilogramm Sprengstoff aus den Niederlanden nach Berlin geschmuggelt worden. Die Informationen, die von einem angeblichen V-Mann der Polizei stammten, erwiesen sich später als falsch, sorgten jedoch bundesweit für fette Schlagzeilen in der Boulevardpresse. 35 *

Etwa eine Woche vor der Love Parade hatte ein syrischer Informant dem Bundeskriminalamt (BKA) mitgeteilt, daß ein mehrköpfiges arabisches Killerkommando die Erstürmung einer Synagoge oder der amerikanischen Botschaft in Berlin vorbereite oder einen Anschlag auf die Love Parade plane. Diese Informationen von "Focus-Online" wurden von der Berliner Polizei bestätigt. Der Syrer hatte in mehrstündigen Vernehmungen den BKA-Beamten mitgeteilt, er sei Zeuge eines geheimen Treffens von zehn Arabern gewesen. Bei diesem Treffen sei über Anschläge in Berlin geredet worden. Außerdem seien Waffen unter den Männern verteilt worden. Der Syrer schien glaubwürdig zu sein. Er führte die Fahnder zu einem Versteck nach Tiergarten. Dort gruben die Ermittler eine Waffe aus. Die weiteren Ermittlungen brachten jedoch keine Erkenntnisse über eine konkrete Gefährdung der Love Parade.

Vor der Love Parade gaben sich die Veranstalter Fabian Lenz, Dr. Motte und Ralf Regitz auf ihrer Pressekonferenz bezüglich der erwarteten Zahl der Teilnehmer optimistisch. Die Love Parade habe nichts von ihrem "spirit" verloren, auch wenn jetzt 'Berliner Pilsener' zu ihren Sponsoren zähle. Eine Million Raver werde ihrer Meinung nach auch an diesem zweiten Sonnabend im Juli wieder um die Siegessäule tanzen. Doch von den ursprünglich 50 angemeldeten Wagen führen nur 42 mit, da einige Wagen es in diesem Jahr aus Geldgründen nicht geschafft hätten, da die sonst immer so großzügigen Sponsoren aus der Werbebranche sich in diesem Jahr Zurückhaltung übten.

Nach der Parade, so schätzten die Veranstalter, hätten 750.000 Menschen an der 14. Love Parade teilgenommen. Laut Polizei waren es 650.000. 36 * Somit entfielen gemäß Schätzung der Veranstalter durchschnittlich 18.000 Raver auf jeden Musikwagen, nach polizeilicher Einschätzung waren es gut 15.000 Raver. Die 42 Musikwagen jedenfalls, die mit Techno-Sound vom Ernst-Reuter-Platz und vom Brandenburger Tor zur Siegessäule unterwegs waren, hatten - anders als in den Jahren zuvor - kein Problem durchzukommen. Allerdings wurde der Freiraum auf der vier Kilometer langen Paradestrecke auch kaum zum Tanzen genutzt. Viele Menschen waren nur zum Schauen gekommen. Selbst auf den Wagen war die Stimmung nicht so ausgelassen wie zu den Hochzeiten der Parade.

Nach der Parade erklärte Ralf Regitz von der Organisationscrew, die Love Parade habe in diesem Jahr mit einigen Problemen zu kämpfen gehabt. Die schlechte wirtschaftliche Situation sowie diverse Meldungen über angeblich geplante Terroranschläge hätten Fans abgehalten nach Berlin zu kommen. Womöglich spielte auch das Wetter eine Rolle. Zeitweise warnten die Meteorologen vor Sturmböen, zogen dann aber am späteren Nachmittag die Meldungen wieder zurück und gaben eine Entwarnung durch. Aufgrund der Tatsache, daß drei Tage vor der Love Parade bei dem schwersten Unwetter seit dreißig Jahren in Berlin und Brandenburg acht Menschen ums Leben gekommen waren und mehrere verletzt wurden, nahmen viele diese Sturmwarnung sehr ernst und blieben Zuhause. Bei Orkanböen bis zu 152 Kilometern pro Stunde entstand Sachschaden in Millionenhöhe. Allein in Berlin wurden über 2.000 Bäume entwurzelt und viele Äste abgeknickt. Wegen schwerer Verwüstungen mußte der Schloßgarten in Charlottenburg bis zum 15. Juli für das Publikum gesperrt bleiben, da 40 alte Bäume auseinandergebrochen und umgestürzt waren. In den Medien wurde nach dem Sturm auch wegen der Gefahr von herabstürzenden Ästen vor Waldspaziergängen gewarnt. Angeknackste Äste könnten auch bei leichten Windböen herunterkrachen und auch im Tiergarten bestünde diese Gefahr. 37 *

Bei Temperaturen um die 28 Grad und Sonnenschein starteten die Musikwagen, doch zwei Stunden nach Beginn der Parade begann es zu regnen und für einige Stunden war es unsicher, ob die Parade wegen einer drohenden Gewitterfront überhaupt planmäßig zu Ende gebracht werden könne, doch glücklicherweise blieb es den ganzen Tag nahezu windstill und in den Abendstunden schien die Sonne wieder. Die 14. Love Parade stand unter dem Motto "Access Peace" (Tor zum Frieden - Zugang zum Frieden) und fand mit einer Party am 'Großen Stern' ihren krönenden Abschluß. In einer kurzen Ansprache rief Dr. Motte dem Partyvolk zu: "Wir sind keine Demo mehr, trotzdem demonstrieren wir hier etwas sehr kostbares, wir zeigen, daß Hunderttausende Menschen friedlich zusammen tanzen und feiern können." An den Plattenspielern sorgten nebst Dr. Motte weltbekannte DJs wie Westbam, Paul van Dyk, Miss Kittin und andere für gute Stimmung und die Leute tanzten ekstatisch und feierten mit Herzenslust wie zu den besten Zeiten der Techno-Ära.

 

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Baumgärtel, T. (2001): PRO - Keine Banner, keine Chöre. STREITPUNKT Love Parade: Ist Abfeiern politisch? Und was hat die Abfallbeseitigung mit der Versammlungsfreiheit zu tun?, in: Berliner Zeitung vom 21. Juli 2001
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Ebd.
(Baumgärtel, T. (2001): PRO - Keine Banner, keine Chöre. STREITPUNKT Love Parade: Ist Abfeiern politisch? Und was hat die Abfallbeseitigung mit der Versammlungsfreiheit zu tun?, in: Berliner Zeitung vom 21. Juli 2001
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BVerfG, 1 BvQ 28/01 vom 12.7.2001, Absatz-Nr. (1 - 28)
http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/qk20010712_1bvq002801.html
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Güngör, D. (2001): Die Parade, der Müll und die Sicherheit. Im September wollen Veranstalter und Senat endgültig klären, wer künftig was zahlt, in Berliner Zeitung vom 24. Juli 2001
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Richter, C., Schnedelbach, L. (2002): Syrer warnte Polizei: Araber planen Terroranschlag in Berlin. Ermittler fanden vergrabene Waffe in Tiergarten, in: Berliner Zeitung vom 19. Juli 2002
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o.A. (2002): Mit Kameras Besucher zählen, in: Berliner Zeitung vom 15. Juli 2002
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Köhn, F., Brennberger-Zens, I., Schnedelbach, L. (2002): Liebesentzug für die Love Parade - Zum Tanzen kamen etwa 200 000 Besucher weniger als im vergangenen Jahr, in: Berliner Zeitung vom 15. Juli 2002

Haak, J., Schnedelbach, L. (2002): 2 000 entwurzelte Bäume in nur 15 Minuten. Orkan verursachte Schäden in Millionenhöhe, in: Berliner Zeitung vom 12. Juli 2002

Von Bebenburg, P. (2002): Bei der 14. Auflage geht der Love Parade die Luft aus - Deutlich weniger Besucher bei Berliner Techno-Spektakel, in: Frankfurter Rundschau vom 15. Juli 2002