Drogen, Politik und Polizei

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2. Die Zahl der Konsumenten illegalisierter Drogen

Aufgrund der herrschenden Verbotspolitik geht der Drogenkonsum zumeist abseits von öffentlicher Wahrnehmung, unerkannt und heimlich vonstatten. Demzufolge bleiben dem Außenstehenden vieles im Umfeld des Drogenkonsums wie auch die Praktiken des Konsums selbst unbekannt. Um das dadurch bedingte Defizit an Wissen regierungsamtlicher Stellen auszugleichen, beauftragen diese immer wieder Forschungsinstitute, um im Rahmen von Befragungen Daten und Fakten bezüglich des Drogenkonsums zu ermitteln. Diese nach statistischen Kriterien aufgeschlüsselten Daten geben nicht nur Auskunft über die Konsumenten selbst, sondern auch über Konsumdauer, Konsumhäufigkeit und Konsumverhalten derselben. Des Weiteren werden auch stets die verschiedenen Informationsquellen von Wissen über Drogen und deren Glaubwürdigkeit erforscht, statistisch ausgewertet und publiziert.

Die Befragungsergebnisse der empirischen Studien sind jedoch nur bedingt aussagekräftig, da seitens der Institute, die die Befragungen durchführten, Mißbrauch mit dem Datenmaterial betrieben wurde. Beispielsweise hatte Gerd Rakete als Leiter der Hamburgischen Landesstelle gegen die Suchtgefahren e.V. im Jahre 1996 zusammen mit Udo Flüsmeier eine empirische Studie zu Mustern und psychosozialen Effekten des Ecstasykonsums im Auftrag der Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung (BZgA) durchgeführt. 26 * Anhand von Fragebögen sammelte ein Stab von Interviewern (Multiplikatoren aus der Szene) die Daten in verschiedenen Städten, in denen sich eine Technoszene etabliert hatte. Die Vorgabe seitens Gerd Rakete an die Interviewer lautete, möglichst viele "Hardcore-User" zu befragen, da an deren Daten mehr Interesse bestünde als an den Daten der Gelegenheitskonsumenten. Bei der Veröffentlichung der Ergebnisse der Studie wie auch bei zahlreichen Medienauftritte zeigte sich dann Gerd Rakete scheinbar erstaunt über das hohe Ausmaß des Mischkonsums und der Häufigkeit des Pillenkonsums. Diese Ergebnisse waren jedoch nicht repräsentativ, sondern durch die Vorgabe an die Interviewer bedingt. 27 *

Vertraulichkeit ist eine unabdingbare Voraussetzung für die Erhebung von Daten betreffend Drogenkonsum in der Bevölkerung. Ist die zugesicherte Diskretion in einer bestimmten Gegend oder gegenüber einer bestimmten Szene in einem Fall nicht eingehalten worden, wird es in der Folge kaum noch möglich sein, in diesem Umfeld weitere repräsentative Umfragen zu tätigen, da nach einem Parteiverrat kaum anzunehmen ist, daß die große Mehrheit der Befragten noch wahrheitsgetreue Angaben machen wird. So muß man in der Berliner Techno-Szene mit einer recht hohen Fehlerquote bei Befragungen hinsichtlich der Drogenkonsummuster rechnen, da nach der empirisch-explorativen Untersuchung zum Drogenkonsum Jugendlicher in der Techno-Party-Szene, die von H.P. Tossman und W. Heckmann (SPI) durchgeführt wurde, die Namen aller Techno-Clubs mit der Zahl der darin befragten Raver 1997 im Untersuchungsbericht veröffentlicht wurden, obwohl den Clubs vor der Befragung absolute Diskretion zugesichert wurde. Die Veröffentlichung der Namen der betroffenen Clubs führte in der Folge zu nachhaltigen Unannehmlichkeiten mit den Behörden (u.a. zusätzliche verschärfte Auflagen für die Betriebserlaubnis) und der Polizei (Razzien und Clubschließung). Die Empörung in der Szene war dementsprechend beträchtlich groß. 28 *

Das Bundesministerium für Gesundheit und die BZgA geben regelmäßig Studien in Auftrag, um die neuen Trends im Konsum psychoaktiver Substanzen zu evaluieren, das heißt zu bewerten und zu beurteilen. Gemäß der letzten Studien aus den Jahren 2000 und 2001 hat jeder Fünfte der Erwachsenen im Alter von 18 bis 59 Jahren in Westdeutschland und jeder Zehnte der Erwachsenen im Alter von 18 bis 59 Jahren in Ostdeutschland schon einmal in seinem Leben illegalisierte Drogen konsumiert. Das sind mehr als zehn Millionen Menschen. Etwa jeder Zwanzigste der Erwachsenen konsumiert aktuell 29 * illegalisierte Substanzen. Das sind weit mehr als zwei Millionen Menschen. 30 *

In der Altersgruppe der 21- bis 24jährigen hat sogar jeder Dritte schon einmal illegalisierte Drogen konsumiert und etwa jeder Achte konsumiert aktuell illegalisierte Substanzen. 31 * Über ein Viertel der Jugendlichen (d.h. etwa eine Million Jugendliche) hat Erfahrungen mit illegalisierten Substanzen und dreizehn Prozent (d.h. etwa eine halbe Million Jugendliche) konsumieren aktuell illegalisierte Substanzen. 32 * Hinzu kommen die Kinder (unter 14 Jahren) und die Erwachsenen im Rentenalter (60 Jahre und älter) mit Drogenerfahrungen.

Insgesamt haben etwa zehn Millionen (12%) der gut achtzig Millionen Einwohner Deutschlands Erfahrungen mit illegalisierten Drogen und etwa drei bis vier Millionen (4% bis 5 %) konsumieren aktuell illegalisierte Substanzen.

 


2.1. Die Zahl der Cannabiskonsumenten

Die Zahl der Cannabiskonsumenten liegt nur geringfügig unter der Gesamtzahl der Konsumenten illegalisierter Substanzen. Mindestens drei Millionen Menschen (knapp 4% der Bevölkerung) konsumieren in Deutschland regelmäßig Marihuana und/oder Haschisch, etwa eine halbe Million davon (etwa 0,5% der Bevölkerung) täglich oder fast täglich. Der Anteil der Jugendlichen, die aktuell Marihuana und/oder Haschisch konsumieren, ist in den letzten Jahren leicht zurückgegangen. Im Jahr 1997 lag er bei 15% und derzeit liegt er bei 13%. 33 *

 


2.2. Die Zahl der Ecstasykonsumenten

In Deutschland haben weit mehr als eine Million Menschen Erfahrungen mit Ecstasy gemacht. Von den unter 25jährigen sind es immerhin noch eine halbe Million. Etwa 3% der 12- bis 24jährigen (das sind gut 300.000 Personen) konsumieren aktuell Ecstasy. Bei den über 25jährigen konsumieren wahrscheinlich etwa 200.000 Personen aktuell Ecstasy, so daß man von etwa 500.000 Ecstasykonsumenten in Deutschland ausgehen kann. Das entspricht etwa einem halben Prozent der Wohnbevölkerung der Bundesrepublik. Bis 1995 hat die Zahl der Ecstasykonsumenten stark zugenommen, seither ist sie weitgehend stabil geblieben, nach einigen Beobachtungen hat sie sogar abgenommen.

 


2.3. Die Zahl der LSD-Konsumenten

Gemäß Umfragen des IFT in München soll die Zahl der Menschen mit LSD-Erfahrung in Deutschland erstaunlich niedrig sein und deutlich unterhalb einer Million liegen. In der Altersgruppe der 12- bis 59jährigen soll es gerade einmal 930.000 Menschen mit LSD-Erfahrung geben, von denen gemäß diverser regionaler Umfragen etwa ein Viertel aktuell LSD gebraucht.

 


2.4. Die Zahl der Zauberpilz-Konsumenten

Gemäß diverser Umfragen soll die Zahl der Menschen mit Zauberpilz-Erfahrung (Psilocybin-Erfahrung) in Deutschland deutlich unterhalb einer Million liegen. In der Altersgruppe der 12- bis 59jährigen soll es gerade einmal 860.000 Menschen mit Zauberpilz-Erfahrung geben, von denen etwa ein Viertel aktuell Zauberpilze gebraucht.

 


2.5. Die Zahl der Amphetaminkonsumenten

Die Zahl der Amphetaminkonsumenten ist etwas größer als die Zahl der Ecstasykonsumenten, wobei in der Gruppe der 12- bis 25jährigen die Zahl der aktuellen Konsumenten etwa gleich groß ist (300.000 Personen), bei den über 25jährigen wahrscheinlich etwas mehr als doppelt so groß wie bei den Ecstasykonsumenten ist, also zwischen 400.000 und 500.00 zu liegen kommt, so daß von etwa einer dreiviertel Million Amphetaminkonsumenten in Deutschland ausgegangen werden kann. Die Zahl der Liebhaber von Speed nimmt derzeit stetig zu. Dies gilt für Amphetamin (Speed), insbesondere aber auch für Methamphetamin (Crystal Speed).

 


2.6. Die Zahl der Kokainkonsumenten

Etwa 2,5% der Erwachsenen in Deutschland im Alter von 18 bis 59 Jahren, das sind etwa 1,2 Millionen Menschen, haben schon Erfahrungen mit Kokain gemacht. Von den Heranwachsenden (18 bis unter 21 Jahre) haben gut 4%, das sind etwa 100.000 Personen, Erfahrungen mit Kokain. Aktuell konsumieren etwa 1,5% der Erwachsenen, das sind knapp 720.000 Menschen, Kokain. Im Kreise der Jugendlichen und Heranwachsenden wird etwa von einem Prozent (etwa 60.000 Personen) Kokain regelmäßig konsumiert. Die Zahl der Kokainkonsumenten, die aktuell am Konsumieren sind, liegt derzeit bei etwa 800.000 und nimmt stetig zu.

 


2.7. Aktuelle Konsumentenzahlen illegalisierter Drogen in Deutschland

Aktuelle Konsumentenzahlen illegalisierter Drogen in Deutschland
Substanzen Konsumentenzahlen
Haschisch und/oder Marihuana 3.500.000
Ecstasy 500.000
LSD 250.000
Zauberpilze 250.000
Speed (Amphetamin und/oder Methamphetamin) 750.000
Kokain 800.000

Die angegebenen Zahlen wurden durch bundesweite Umfragen des Instituts für Therapieforschung (IFT) sowie diverser regionaler Umfragen ermittelt und hochgerechnet.

 


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26
G. Rakete, U. Flüsmeier (Hamburgische Landesstelle gegen die Suchtgefahren e.V.: Der Konsum von Ecstasy – Empirische Studie zu Mustern und psychosozialen Effekten des Ecstasykonsums (im Auftrag der BZgA), Hamburg 1997
27
Der Autor dieses Artikels, wie auch einige Freude des Autors, waren als Interviewer bei dieser Studie tätig.
28
H.P. Tossmann, W. Heckmann (SPI): Drogenkonsum Jugendlicher in der Techno-Party-Szene – Projektbericht (im Auftrag der BZgA), Köln 1997
29
Aktuell heißt, daß die Person innerhalb der letzten dreissig Tage eine illegalisierte Droge konsumiert hat.
30
Datenquelle: Bundesministerium für Gesundheit: Marion Caspers-Merk, MdB, Drogenbeauftragte der Bundesregierung, in: Pressemitteilung Nr. 7 vom 26. April 2001, veröffentlicht anläßlich der Vorstellung des Sucht- und Drogenberichtes 2000 in Berlin; Vergl::Drogenaffinitätsstudie der BZgA zum Konsum psychoaktiver Substanzen bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 12-24 Jahren, Köln 2001, sowie Repräsentativerhebeung des IFT über den Konsum psychoaktiver Substanzen in der erwachsenen Bevölkerung von 18 bis 59 Jahren, München 2001, beide im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit mit Datenerhebung aus dem Jahr 2000
31
L. Kraus, R. Bauernfeind (IFT): Repräsentativerhebung 1997. Schriftliche Befragung zum Gebrauch Psychoaktiver Substanzen bei Erwachsenen in Deutschland (im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit), München 1998
32
Datenquelle: Bundesministerium für Gesundheit: Marion Caspers-Merk, MdB, Drogenbeauftragte der Bundesregierung, in: Pressemitteilung Nr. 7 vom 26. April 2001, veröffentlicht anläßlich der Vorstellung des Sucht- und Drogenberichtes 2000 in Berlin
33
R. Simon, E. Hoch, R. Hüllinghorst, G. Nöcker, M. David-Spickermann (2001): Bericht zur Drogensituation in Deutschland 2001. München: DBDD Deutsche Referenzstelle für die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht.
http://www.emcdda.europa.eu/attachements.cfm/att_2286_DE_NR_Germany_2001_DE.pdf