Drogen, Politik und Polizei

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1. Entwicklung der Drogenrepression in Deutschland

1.1. Historische Entwicklung der jugendspezifischen Repression in der Bundesrepublik Deutschland und im Land West-Berlin

Bis Mitte der sechziger Jahre blieb Europa weitgehend von der in Amerika wütenden Drogenrepression verschont, obwohl auch die meisten europäischen Staaten in den zwanziger Jahren Betäubungsmittelgesetze in Kraft gesetzt hatten. Als jedoch "Flower-Power" zum Leitmotiv einer weltumspannenden Jugendkultur wurde und überall immer mehr Hippies sich in freier Natur zu Musikfestivals (open air and for free) trafen, dort Haschisch rauchten, sich Zauberpilze, Meskalin und LSD einverleibten und so Einblicke in andere Sphären gewannen, sahen konservative Politiker die traditionellen Werte der Gesellschaft gefährdet und riefen zum gnadenlosen Kampf gegen diese neue Jugendkultur auf.

Durch von der Bundesregierung bereitwillig geförderten und gesteuerten breit angelegten Kampagnen in den Massenmedien wurde die Bevölkerung Ende der 60er Jahre und zu Beginn der 70er Jahre mit den aberwitzigsten Horrormeldungen bezüglich einer gigantischen Drogenwelle, die auf Europa überschwappte, bombadiert. Ein konkretes Wissen über Drogen ist durch diese Kampagnen jedoch kaum vermittelt worden. Die Meldungen waren häufig suggestiv konzipiert und einseitig tendenziös ausgelegt, um in demagogischer Weise die Bevölkerung zu manipulieren. Selbst völlig harmlose Haschischraucher wurden häufig als kriminelle Rauschgiftsüchtige diskreditiert. Im Juni 1972 war dann die gesellschaftliche Ausstoßungsreaktion schon so stark, daß 65% der Bevölkerung nicht einmal in der Nachbarschaft eines Rauschgiftsüchtigen wohnen wollte:

 

Frage: "Noch eine Frage zum Umziehen. Es ist ja so, daß man sich seine Nachbarn nicht aussuchen kann. Und wenn man Pech hat, kommt man neben jemanden, der einem gar nicht angenehm ist. Hier auf diesen Karten stehen verschiedene Leute, die man als Nachbarn bekommen kann. Hätten sie nicht, oder etwas oder viel dagegen, wenn jemand von diesen Leuten Ihr Nachbar werden würde?"

Dagegen hätte ich: viel etwas nichts
Rauschgiftsüchtiger 65% 23% 12%
Negerfamilie 13% 26% 61%
Gastarbeiterfamilie 11% 36% 53%
Familie mit schwachsinnigem Kind 9% 31% 60%
Familie mit verkrüppeltem Kind 3% 14% 83%
Alte, gelähmte Frau 3% 12% 85%

 


1.1.1. Repression und Gewalt gegen die 68er Generation

In Deutschland fühlten sich die konservativen bürgerlichen Kräfte (Bourgeoisie) nicht nur durch die Hippies und anderen Drogenkonsumenten bedroht, sondern vor allem auch durch die politisch aktive Studentenbewegung. Die Studenten protestierten nicht nur gegen die skandalöse Überfüllung der viel zu kleinen Universitäten, sondern besonders auch gegen den zunehmenden Leerstand von Villen und Häusern, die raffgierige Spekulanten verfallen ließen um eine Abrißgenehmigung zu erzwingen um auf den Grundstücken bessere Renditeobjekte errichten zu können. Es herrschte jedoch große Wohnungsnot und so wurden viele dieser Häuser besetzt. Auch protestierten die Studenten gegen die Politik der USA, die in Vietnam einen Vernichtungskrieg gegen die Bevölkerung mit Napalmbomben führte und gegen Präsident Nixon, der immer wieder den "War on Drugs" (Krieg gegen Drogen) proklamierte.

Die Staatsmacht in Deutschland reagierte heftig. Die zeigte sich nicht nur in der Tatsache, daß die Drogenrepression Ende der sechziger Jahre explosionsartig zunahm, sondern auch im Umgang mit den Demonstranten. Diese wurden systematisch eingekesselt, gnadenlos mit Schlagstöcken traktiert und dutzendweise krankenhausreif geschlagen. Hin und wieder fiel auch ein Schuß. So wurde anläßlich einer großen Demonstration vor der Deutschen Oper in Berlin am 2. Juni 1967 gegen das Folter- und Terrorregime des Schahs (Kaiser) von Persien, Mohammed Resa Pahlawi, als dieser mit seiner Frau, der Schabanu (Kaiserin) Farah Diba, die Zauberflöte besuchte, der 26jährige Student Benno Ohnesorg, Pazifist und Mitglied der evangelischen Studentengemeinde, ohne Not vorsätzlich und gezielt von dem 39jährigen Kriminalobermeister Karl-Heinz Kurras (Abteilung I, Politische Polizei) erschossen. 1 *

Der Polizist Karl-Heinz Kurras wurde am 21. November 1967 vor Gericht (14. große Strafkammer beim Landgericht Moabit) freigesprochen, da er "überfordert und nervös gewesen sei," und es "keine Anhaltspunkte für eine vorsätzliche Tötung oder eine beabsichtigte Körperverletzung durch einen gezielten Schuß" gegeben habe. Hingegen trat aufgrund der allgemeinen Empörung über das völlig inakzeptable und von Brachialgewalt gekennzeichnete Vorgehen der Polizei der für den Polizeieinsatz verantwortliche Innensenator Wolfgang Büsch am 19. September 1967 zurück. Büsch hatte die Konsequenz aus der Kritik an der ihm unterstellten Berliner Polizei gezogen. Zuvor hatte ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß das Verhalten der Polizei im Zusammenhang mit den Zwischenfällen beim Schah-Besuch beanstandet. Eine Woche später wurde Polizeipräsident Erich Dünsing frühzeitig in Pension geschickt, und vier weitere Tage später, am 26. September 1967, mußte dann der regierende Bürgermeister Heinrich Albertz (SPD) mit dem gesamten Senat nach nur 287 Tagen Amtszeit aufgrund des anhaltenden öffentlichen Drucks zurücktreten.

Daraufhin verstärkten zahlreiche deutschen Zeitungen, angeführt von der Springer-Presse, ihre geballte Hetzkampagne gegen die rebellierenden Studenten sowie gegen alle Langhaarigen (Hippies) und vor allem gegen den weit über Berlin hinaus bekannten Sprecher des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS), Rudi Dutschke, dessen Visage im Stil von Verbrecherphotos in Zeitungen publiziert wurde, ähnlich, wie es die CDU im Januar 2001 mit der Visage des Bundeskanzlers Schröder (SPD) für ein Wahlplakat vor hatte. Die Kampagne, die Rudi Dutschke zum "Volksfeind Nr. 1" erklärte, ließ den jungen rechtsradikalen Bauhilfsarbeiter Josef Bachmann am Gründonnerstag, den 11. April 1968, zur Tat schreiten. Er schoß dreimal mit seinem Trommelrevolver auf Rudi Dutschke und verletzte ihn lebensgefährlich. Elf Jahre später starb er an den Folgen des Attentats. Die drei Schüsse auf Rudi Dutschke lösten die "Oster-Unruhen" aus, durch die zwar der Vertrieb der Springer-Zeitungen nicht sonderlich blockiert, jedoch Tausende junge Menschen, vornehmlich Studenten der Freien Universität Berlin, wegen Landesfriedensbruch kriminalisiert wurden. Nach diesem 11. April begann auch in den Kiffer-Kneipen die Diskussion über Dope und Revolution. 2 *

 

1.1.2. Todesschüsse gegen die "umherschweifenden Haschrebellen"

Ein bemerkenswertestes Randergebnis dieser Zeit waren die "umherschweifenden Haschrebellen", 3 * eine herzlich undogmatische Gegenposition zu den ideologisch getrimmten Linksintellektuellen aus der Studentenbewegung. Gegründet wurde dieser heitere und stets chaotische Haufen von Georg von Rauch, Thomas (Tommy) Weißbecker und "Bommi" Baumann. Georg lieferte das Motto: "High sein, frei sein, Terror muß dabei sein". Mit Terror hatten die Aktionen dieser Sponti-Vorläufer eigentlich wenig zu tun, glichen doch ihre zeit- und sozialkritische Vorstellungen eher den Darbietungen eines Kabarett, doch schon der Wahlspruch ließ Behörden und Öffentlichkeit hysterisch reagieren – und dies mit tödlichen Folgen, denn am 4. Dezember 1971 wurde der unbewaffnete Georg von Rauch bei einer Fahndungsaktion in Berlin-Schöneberg in der Eisenacher Straße Ecke Fuggerstraße von der Polizei erschossen. Dies geschah während einer Personenkontrolle, die gemeinsam von Polizei und Verfassungsschützern durchgeführt worden ist, als von Rauch mit erhobenen Händen an einer Hauswand gestanden hatte und nach Waffen durchsucht worden war. Dennoch behauptete die Polizei, daß der Schuß durchs Auge, der von einem Beamten in Zivil aus nächster Nähe abgefeuert wurde, in "Putativnotwehr" (Abwehrhandlung in der irrtümlichen Annahme, die Voraussetzungen der Notwehr seien gegeben) erfolgte. 4 * Einige Wochen später, am 2. März 1972, wurde in Augsburg Thomas Weißbecker auf offener Straße durch einen Schuß in den Rücken (Herzschuß) getötet. Das Ermittlungsverfahren gegen den Polizeischützen, der aus drei Metern Entfernung schoß, wurde von der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Augsburg mit der Begründung "Notwehr" eingestellt. 5 *

 


1.2. Die Entwicklung der Drogenrepression in der Bundesrepublik Deutschland und im Land West-Berlin

Das Betäubungsmittelgesetz war seit Ende der sechziger Jahre für die Behörden ein Instrumentarium (Mittel zur Durchführung einer Tätigkeit und Erreichung eines Zieles) zur Zerschlagung politisch und/ oder kulturell unliebsamer Szenen, wobei die Art der dort konsumierten illegalisierten Drogen und der Grad der dort aufgetauchten sogenannten kriminellen Energie bei der Wahl der getroffenen Maßnahmen nur von nachrangiger Bedeutung war. Bis 1966 lag die Zahl der jährlich erfaßten Tatverdächtigen wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG), das damals noch Opiumgesetz hieß, in der Bundesrepublik Deutschland deutlich unter 1.000. Erst im Jahr 1967, als Benno Ohnesorg von der Polizei erschossen wurde, regestrierten die Behörden über 1.000 Tatverdächtige. Vier Jahre später, 1971, als der Mitbegründer der "umherschweifenden Haschrebellen", Georg von Rauch, in Berlin von der Polizei erschossen wurde, regestrierten die Behörden bereits über 20.000 Tatverdächtige 6 *, Auch im darauf folgenden Jahr, 1972, als Thomas Weißbecker in Augsburg von der Polizei hinterrücks auf offener Straße erschossen wurde, lag die Zahl der Tatverdächtigen wegen Verstoßes gegen das BtMG weit über 20.000. In den darauf folgenden Jahren nahm dieses Zahl jährlich stetig zu, wie der folgenden Graphik 1 entnommen werden kann.

Graphik 1: Erfaßte Tatverdächtige wegen betäubungsmittelrechtlicher Delikte in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich des Landes West-Berlin (1959-1979; Anzahl Tatverdächtige pro Jahr; Zeitreihe)

Datenquelle: Bundeskriminalamt (BKA): Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) 1979, Wiesbaden 1980


Anfangs der 70er Jahre wurde das alte Opiumgesetz aus den 20er Jahren durch ein neues Gesetz, dem Betäubungsmittelgesetz, ersetzt. Bei der Gesamtbetrachtung der historischen Entwicklung vom Opiumgesetz zum Betäubungsmittelgesetz ist zu beachten, daß die Bundesrepublik Deutschland nicht frei ist, welche Ziele sie im Bereich der Drogenpolitik verfolgen will. Sie ist vielmehr durch eine Reihe von Übereinkommen im Rahmen der Vereinten Nationen (UNO) gebunden. Es handelt sich hierbei um das Einheits-Übereinkommen vom 30. März 1961 7 * über Suchtstoffe in der Fassung des Protokolls vom 25. März 1972 zur Änderung des Einheits-Übereinkommens von 1961 über Suchtstoffe (sogenannte Single-Convention) 8 * und um das Übereinkommen vom 21. Februar 1971 über psychotrope Stoffe. 9 *

Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber (Bundestag und Bundesrat) im Dezember 1971 das Opiumgesetz vom 10. Dezember 1929, das vor allem die verwaltungsmäßige Kontrolle der medizinischen Versorgung der Bevölkerung mit Opium, Morphium und anderen Betäubungsmitteln regelte, durch ein neues "Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz, BtMG)" ersetzt. Dem neuen Gesetz vom 22. Dezember 1971, das am 10. Januar 1972 nach redaktionellen Änderungen neu bekannt gegeben wurde, 10 * liegt eine abstrakt-typologische Täterklassifizierung zugrunde, so daß nach der Vorstellung des Gesetzgebers jedem Tätertypus eine Sanktionsstufe zugeordnet werden kann, wobei die Höchststrafe von drei auf zehn Jahre heraufgesetzt wurde.

Graphik 2: Erfaßte Tatverdächtige betäubungsmittelrechtlicher Delikte in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich des Landes West-Berlin (1984-1990), ab 1991 einschließlich Gesamt-Berlin und ab 1993 in allen Bundesländern

Datenquelle: Bundeskriminalamt (BKA): Rauschgiftjahresbericht 1996, Tabelle 11, Wiesbaden 1997; Rauschgiftjahresbericht 2002, Tabelle 11, Wiesbaden 2003


Einen Expansionskoeffizienten (Expansion = Ausdehnung; Koeffizent = kennzeichnende Größe für bestimmte Funktionen oder Verhaltensweisen; hier also die Größe der Intensität der Zunahme) der Drogenrepression in diesem Ausmaß innerhalb von nur vier Jahren hatte es nie zuvor und auch nie danach gegeben. Der Staat Deutschland reagierte auf die kulturellen und politischen Ereignisse Ende der 60er und anfangs der 70er Jahre mit einer jährlichen Verdoppelung 11 * der Drogenrepression, die dann auch Grundlage für die Einführung des neuen Betäubungsmittelgesetzes an Weihnachten 1971 war. Nach Einführung des neuen Gesetzes verdoppelte sich die Zahl der Tatverdächtigen innerhalb von acht Jahren, 1979 wurden knapp 50.000 Tatverdächtige registriert und etwas über 50.000 Delikte. Die Zeitspanne bis zur nächsten Verdoppelung dauerte 11 Jahre, denn 1990 wurden erstmalig über 100.000 Delikte von der Polizei registriert. Mit dem Aufkommen von Techno beschleunigte sich dann wieder die Geschwindigkeit der Zunahme des Repressionskoeffizienten (Maß oder Intensität der Unterdrückung). Innerhalb von nur sieben Jahren war bereits wieder eine Verdoppelung erreicht, denn 1997 wurden erstmalig über 200.000 Delikte registriert. 12 * Die Tendenz ist nach wie vor stets weiter steigend. Im Jahr 2002 wurden erstmalig mehr als 250.000 Delikte von der Polizei erfaßt. Von einer Wende in der Drogenpolitik, wie es sich viele von der neuen Rot-Grünen Bundesregierung erhofften, ist im Bereich der Repression nichts zu spüren, eher im Gegenteil.

Die Folgenden Graphiken zeigen deutlich, daß die Drogenrepression auch nach dem Regierungswechsel 1998 deutlich intensiviert wurde – vor allem in den neuen Bundesländern. In Deutschland nahm die Zahl der jährlich registrierten Delikte seit dem Regierungswechsel insgesamt um 15,8% zu, in den fünf neuen Bundesländern um 63,9% und in den alten Bundesländern um 11,6%.

Graphik 3: Erfaßte betäubungsmittelrechtliche Delikte in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich des Landes West-Berlin (1980-1990), ab 1991 einschließlich Gesamt-Berlin und ab 1993 in allen Bundesländern

Datenquelle: BKA: Rauschgiftjahresbericht 1999, Tab. 4; PKS-Zeitreihen für den Zeitraum von 1987-2002, Tab. 01, Wiesbaden 2003.
Wegen der Änderung des staatlichen Bereiches sind die Daten seit 1991 mit denen der Vorjahre nur bedingt vergleichbar. Die Zahlen bis 1990 beinhalten die Delikte der alten Bundesländer einschließlich des Landes West-Berlin, die Zahlen der Jahre 1991 und 1992 beinhalten die Delikte der alten Bundesländer einschließlich Gesamt-Berlin, in den Zahlen ab 1993 sind die Delikte aller Bundesländer enthalten.


Um Tendenzen in verschiedenen Regionen besser miteinander vergleichen zu können, werden oft nicht nur die absoluten Zahlen der Tatverdächtigen oder der Delikte angegeben, sondern die Relation dieser Zahlen zur Wohnbevölkerung der entsprechenden Gebiete. Diese Relation wird mit der sogenannten Häufigkeitszahl ausgedrückt, das heiß, die Häufigkeitszahl entspricht der Anzahl der Tatverdächtigen respektive der Anzahl der Delikte pro 100.000 Einwohner.

Graphik 4: Häufigkeitszahlen erfaßter Betäubungsmitteldelikte in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich des Landes West-Berlin (1980-1990), ab 1991 einschließlich Gesamt-Berlin und ab 1993 in allen Bundesländern

Berechnet auf Basis der Daten des BKA: Rauschgiftjahresbericht 1999, Tab. 4; PKS-Zeitreihen für den Zeitraum von 1987-2002, Tab. 01, Wiesbaden 2003; PKS 2000, Tab. 54, Wiesbaden 2001.
Wegen der Änderung des staatlichen Bereiches sind die Daten seit 1991 mit denen der Vorjahre nur bedingt vergleichbar. Die Zahlen bis 1990 beinhalten die Delikte der alten Bundesländer einschließlich des Landes West-Berlin, die Zahlen der Jahre 1991 und 1992 beinhalten die Delikte der alten Bundesländer einschließlich Gesamt-Berlin, in den Zahlen ab 1993 sind die Delikte aller Bundesländer enthalten.

 


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1
Ein "Rädelsführer" wird erkannt
Einer der Beamten meinte, einen "Rädelsführer" zu sehen: er trug einen Schnurrbart, ein rotes Hemd und Sandalen ohne Socken. Die Zeugin Erika S. berichtet: "Der Mann im roten Hemd stand mit dem Gesicht Richtung Krumme Straße im Garagenhof des Hauses Krumme Straße 67 hinter einem Volkswagen. [...] Er versuchte offensichtlich, die Straße zu erreichen. Zwei uniformierte Beamte rechts und links in Höhe der hinteren Sitzreihe des VW versuchten ihn daran zu hindern. [...] Von hinten tauchte plötzlich ein uniformierter Beamter auf und schlug dem Mann im roten Hemd mit dem Schlagstock von hinten auf den Kopf. Der getroffene sank langsam in sich zusammen, und nun kamen die beiden Polizisten, die erst rechts und links des VW's gestanden hatten, hinzu und zu dritt schlugen sie auf ihn ein. [...] Ein Polizist trat auf die rechte Hand und den arm und beide Polizisten rechts und links in die Beckengegend des liegenden. [...] in diesem Augenblick war auch Karl-Heinz Kurras (in Zivilkleidung) von hinten zur stelle, in der Hand eine entsicherte Pistole vom Kaliber 7,65 Millimeter. Die Mündung war kaum einen halben Meter vom Kopf des Demonstranten entfernt, so erschien es jedenfalls den Augenzeugen. Plötzlich schoß er. Die Kugel traf über dem rechten Ohr, drang in das Gehirn und zertrümmerte die Schädeldecke." Erika S. weiter: "Ich lief zu dem am Boden liegenden jungen Mann und bückte mich links von ihm zu ihm herunter. Als ich zu den Beamten hochblickte, sah ich, daß sie immer noch ihre Schlagstöcke in der Hand hatten und bat sie leise: 'nicht schlagen, bitte holen sie die Ambulanz.' Der Polizist, der links neben dem Mann im roten Hemd gestanden hatte, bewegte sich langsam in Richtung Straße. [...] Ich suchte nach einer wunde und sah, daß eine Platzwunde bis zum rechten Ohr vorhanden war, aus dem Ohr kam Blut. Ich fühlte seinen Puls, er ging schwach, ich öffnete ein Auge und sah keine Pupille. Daraus schloß ich 'Schädelbruch'. Seine Lippen bewegten sich und ich nahm an, er wolle etwas sagen. Ich beugte mich herunter, konnte aber nur ein Röcheln vernehmen..." Benno Ohnesorg wurde in das städtische Krankenhaus Moabit gebracht, die Wunde zugenäht und als Todesursache zunächst Schädelbruch diagnostiziert. Der versuch der Stadtregierung, den Schah-Protest polizeilich-militärisch zu lösen, hatte ein Menschenleben gefordert.
2
H.-G. Behr: Von Hanf ist die Rede – Kultur und Politik einer Droge, Reinbeck bei Hamburg 1985; S. 265
3
Der "Zentralrat der umherschweifenden Haschrebellen" figurierte auch unter anderen als Persiflage zu verstehenden Namen wie "Vampivollzugsausschuß". Vgl.: G. Langer: Der Berliner »Blues« – Tupamaros und umherschweifende Haschrebellen zwischen Wahnsinn und Verstand, in E. Siepmann: Heiß und Kalt. Die Jahre 1945-69, Berlin 1993, S. 649 ff.
4
R. Gössner: Tödliche "Terroristenfahndung" – Polizeiliche Todesschüsse, ihre Ursachen und "Bewältigung" unter den Bedingungen des staatlichen "Anti-Terror-Kampfes", S. 3, Ergänzungstext zu: R. Gössner: Das Anti-Terror-System – Politische Justiz im präventiven Sicherheitsstaat, Hamburg 1991
5
Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Augsburg – Az. 110 Js 143/72
6
Bundeskriminalamt (BKA): Polizeiliche Kriminalstatistik 1979, Wiesbaden 1980, S. 208
7
BGBl. 1973, II S. 1353
8
BGBl. 1975, II S. 2
9
BGBl. 1976, II S. 1477
10
Das neue Gesetz wurde am 22. Dezember 1971 verkündet, am 24. Dezember 1971 im Bundesgesetzblatt (BGBl. I S. 2092) veröffentlicht und am 25. Dezember 1971 in Kraft gesetzt. Nach einigen redaktionellen Änderungen wurde das Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (BtMG) am 10. Januar 1972 neu bekannt gemacht (BGBl. I. S. 1)
11
Der durchschnittliche Expansionskoeffizient lag im Zeitraum von 1966 bis 1971 etwa bei 2 (genau bei 1,956). Dies entspricht einer jährlichen Verdoppelung (+100%) der erfaßten verdächtigen Täter. 1967 lag die Zuwachsrate noch bei +51%, 1968 schon bei +58%, 1969 dann bereits bei +127% und erreichte dann 1970 das Maximum von +267%. [Siehe Graphik 1]
12
Bundeskriminalamt (BKA): Rauschgiftjahresbericht 2002, Wiesbaden 2003, Tabelle 1